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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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das Prasseln umherspritzender Perlen waren zu hören. Als ihm endlich dämmerte, dass ausgerechnet er – das wie er meinte verschlagenste Wesen des Universums – von Koreander buchstäblich hinters Licht geführt worden war, ließ er beide Steinhände fallen. Der Lux blieb unterm Tisch liegen, wodurch er teilweise verdeckt wurde. So konnte die Glühlampe den Raum schwach erhellen.
    Karl sah vor sich einen dunklen Schemen. Zwei gelblich grüne Lichter funkelten ihn an. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, Er hörte Gmorks schweren Atem. Der Werwolf taumelte wie ein Volltrunkener einen Schritt vor. Dabei geriet sein Fuß auf eine Ansammlung weißer Perlen, die bei den Scherben der Keramikschüssel liegen geblieben waren. Als sich das Gewicht des schweren Mannes auf die Kügelchen verlagerte, rollten sie davon. Gmork ruderte mit den Armen, war aber noch zu benommen, um sein Gleichgewicht zurückzuerlangen. Polternd fiel er zu Boden. Karl hörte einen letzten Schmerzensschrei. Dann herrschte Stille im Raum.
    Drei, vier aufgeregte Herzschläge lang war der Bezwinger des Werwolfes unfähig, sich zu rühren. Auch Freude empfand er nicht. Zaghaft vollendete er die Tischumrundung und starrte bang auf den reglosen Körper, der vor ihm auf dem Boden lag. Gmork war mit dem Kopf auf eine große Scherbe geprallt und blutete aus einer tiefen Schnittwunde. Als hinter der Tischkante der Lux in sein Blickfeld geriet, spürte Karl, wie das Licht seinen Augen regelrecht entrissen wurde. Rasch wandte er sich ab.
    Er bezweifelte, dass Gmork tot war, und er verspürte auch nicht den Wunsch, ihn zu untersuchen. Er hatte Bücher gelesen, in denen der strahlende Sieger solch einen Augenblick nutzte, um seinem Gegner vollends den Garaus zu machen. Karl mochte solche Helden nicht besonders, und er wollte gewiss keiner von diesen Haudrauf-Heroen werden. Er war nicht der Richter des Werwolfes und gewiss kein Mörder. Also tat er, was er für das Gebot der Stunde hielt. Er machte sich an die Rettung der Phantásischen Bibliothek.
       
        
     
        
DIE WEISSAGUNG
     
    Das habe ich befürchtet«, brummte der Meisterbibliothekar. Der Buchfalter Torkelmund hatte ihm gerade die besorgniserregenden Neuigkeiten aus der Drusenwabe überbracht. »Gmork geht aufs Ganze. Er will nicht nur die Bibliothek, sondern gleich ganz Phantásien vernichten.«
    »Karl wird ihn schon aufhalten«, sagte Qutopía aus dem Ohrenbackensessel. Ihrer Stimme fehlte es allerdings an der rech
    ten Überzeugungskraft, ihr rechtes Bein baumelte nervös über der Armlehne vor und zurück. »Der gläserne Gürtel beweist es.
    Er muss dem Gmork dicht auf den Fersen sein. Mir wäre allerdings wohler, wenn Karl seine Tarnung nicht verloren hätte.«
    Herr Trutz war anderer Meinung. »Der Gürtel nützt ihm sowieso nur, wenn er sich an Gmork anschleichen oder vor ihm flüchten will. Kommt es zwischen den beiden zur Konfrontation, dann hängt alles davon, ob der Werwolf auf den falschen Nox hereinfällt. Der Junge hat wirklich Mumm, sich so einen Plan auszudenken.«
    Vom Schreibtisch her meldete sich Albegas besorgte Stimme. »Und wenn er's vermasselt? Oder Die verlorene Unschuld
    nicht rechtzeitig zurückbringt? Hier würde alles zusammenbrechen, und niemand mehr könnte unsere Welt retten. Vielleicht solltest du sicherheitshalber in deinen Buchladen zurückkehren, Thaddäus.«
    Herr Trutz schüttelte den Kopf. »Als was denn? Vielleicht als der Mann, der Phantásien seinem Untergang preisgegeben hat? Oder als wandelnde Lüge? Dafür habe ich mich nicht all die Jahre für die Bibliothek aufgeopfert. Nein, Griffelchen, wir werden kämpfen.«
    Albega hieb mit dem rechten Fäustchen ins linke Händchen und rief aus: »Na gut! Wen soll ich niederschlagen?«
    »Du bleibst hier. Wenn wichtige neue Meldungen eintreffen, musst du sie sofort an mich weiterleiten.«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage.«
    »Alphabetagamma!«
    »Wegen mir. Aber beschwert euch nachher nicht, wenn ich die frohe Nachricht zuerst bekommen habe.« Der Bücherdrill verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust und setzte sich auf das Tintenfass.
    »Wohin gehen wir?«, fragte das Drachenmädchen.
    »Wir laufen nicht, meine Liebe, wir fliegen. Ich will mir selbst ein Bild von den Vorgängen in der Drusenwabe machen.«
    ∞
       
    Karl hatte die Hände in die Seiten gestemmt und betrachtete das Ergebnis der letzten Minuten hektischer Arbeit. Er stand in der Rumpelkammer vor dem blinden Spiegel. Um sich

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