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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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beiden großen Gepäckbehältern im hinteren Teil des Tieres zwei weitere Sättel entnommen und sie mit Riemen am rosig schimmernden Leib festgezurrt. An diese Vorrichtungen wiederum wurden die Passagiere geschnallt. Das sei mitnichten ein Grund zur Sorge, eher im Gegenteil, betonte ihre Flugbegleiterin, als sie die beiden Herren mit den Sicherheitsinstruktionen vertraut machte. Schließlich händigte ihnen Qutopía auch noch je eine schwarze Lederkappe und Schutzbrille aus.
    Die Drachenfliegerin selbst setzte ihre Mütze und den Augenschutz als Letzte auf. Danach kletterte sie geschickt auf den vordersten Sattel, dicht hinter dem Drachenkopf. Hinter ihr saß Herr Trutz. Karl bildete das Schlusslicht.
    »Nehmen Sie die«, sagte Herr Trutz und reichte Karl seine Meerschaumpfeife.
    Der sah den Bibliothekar nur verständnislos an. »Danke, aber ich rauche nicht.«
    »Nun nehmen Sie schon!«, drängte Herr Trutz. »1st nur eine kleine Anerkennung für das, was Sie für mich getan haben. Das gute Stück wird Sie wärmen.«
    »Ich habe oft genug Pfeifenrauchern zugesehen, wie sie ständig mit einem absurden Besteck in ihrem Tabakknösel herumstochern, nur damit ihnen das Ding nicht ausgeht. Das kann ich nicht gebrauchen.«
    »Seien Sie nicht immer so vorschnell mit Ihrem Urteil, junger Freund. Diese Meerschaumpfeife ist etwas Besonderes. Es gibt keine zweite wie diese. Sie geht nie aus.«
    »Das soll wohl ein Witz sein.«
    Herr Trutz zog einen kleinen dunkelblauen Ledersack aus der Brusttasche seines Wolljacketts und packte ihn zur Pfeife. »Hier, nehmen Sie gleich noch das Beutelchen dazu. Damit können Sie den Nasenwärmer immer am Gürtel tragen und haben ihn gleich zur Hand, wenn's mal frostig wird.«
    »Sie wollen mir Ihre Pfeife schenken?«
    »Habe ich das nicht gesagt? Sie mag Ihnen noch einmal nützlich sein. Passen Sie gut darauf auf.«
    Karl wollte sich immer noch zieren, aber da tauchte in seinem Geist das Bild des alten Mannes auf, dem er in der Spiegelwabe begegnet war. Hatte der nicht genau so eine Meerschaumpfeife mit Silberdeckel im Mund gehabt? Schweigend nahm er den »Nasenwärmer«, wie Herr Trutz ihn despektierlich genannt hatte, entgegen, und brachte zuletzt gerade noch ein leises »Danke« hervor.
    »Auf geht's!«, rief Qutopía und lachte übermütig. Karl konnte nur ihren Rücken, ihre schwarze Lederkappe und die darunter hervorquellende rote Mähne sehen. Was die Drachenfliegerin genau mit den verschiedenen Riemen des Reitgeschirrs anstellte, die sie wie die Fäden einer Marionette um verschiedene Finger schlang, das entzog sich seiner Kenntnis. Eigentlich wollte er es auch gar nicht so genau wissen. Er hatte Angst.
    Der Fluidumkonvektionsantrieb verhalf dem mechanischen Glücksdrachen zu atemberaubender Beschleunigung. Die Fuchur schoss steil in den Himmel hinauf. Karl hielt diesen fulminanten Start der jugendlichen Verwegenheit seiner Pilotin zugute und hoffte inständig, ihr Flugstil möge sich im Laufe der Reise beruhigen.
    Dem älteren Fluggast zuliebe drehte Qutopía noch eine Ehrenrunde über das verwirrende Sammelsurium von Gebäuden, an dessen Rand – von der großen Mauer scheinbar in zwei Hälften zerschnitten – das bescheidene Landhaus Hallúzinas stand. Die Herrin des Erwartungshauses winkte. Dann zischte die Fuchur davon.
       ∞

      Zunächst dachte Hallúzina, ihr Kanarienvogel hätte sich ins Freie gestohlen, als sie hinter sich das Flattern hörte – es wäre nicht das erste Mal. Doch irgendwie kam ihr das Geräusch lauter vor, als es Mausi mit ihren kleinen Flügeln zustande brachte. Als Hallúzina sich zum Bauernhaus umwandte, bemerkte sie einen pechschwarzen Vogel, größer als ein Spatz, aber kleiner als eine Krähe. Zuerst glaubte sie eine Dohle vor sich zu sehen, aber die hatten keine leuchtend blauen Schnäbel. Das Tier saß völlig ruhig da, ohne das von Vögeln gewohnte ständige Hin- und Herrucken des Kopfes.
    Hallúzina fühlte sich unbehaglich unter den kleinen Knopfaugen, die sie starr fixierten. Aber sie hatte in langen Jahren gelernt, mit unverhofften Besuchern – ob in Menschen-, in Tieroder in anderer Gestalt – umzugehen. Beherzt trat sie auf den Vogel zu und sagte so respektvoll, wie die Erfahrung es sie gelehrt hatte: »Seid mir gegrüßt, gefiederter Wanderer der Lüfte. Ich weiß zwar nicht, was Ihr hier erwartet, aber solltet Ihr mein Haus besuchen wollen, die Empfangshalle ist dort drüben. Ein weißes, großes, rundes Gebäude. Ihr könnt es

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