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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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überhaupt nicht verfehlen.« Sie deutete in die erwähnte Richtung.
    Der schwarze Vogel flatterte davon. Aber nicht zum beschriebenen Kuppelbau. Er flog geradewegs dem Glücksdrachen hinterher.
       ∞
       
    Obwohl Karl es sich nur ungern eingestand, bewegte sich das Gefährt mit angelegten Beinen wie ein Fisch im Wasser durch den Himmel. Vom Antrieb war nicht mehr als ein Rauschen zu vernehmen, das sich bei höherer Geschwindigkeit im Sausen des Fahrtwinds verlor. Die Fortbewegung der geschuppten Maschine war nicht unbedingt geradlinig, sondern ließ eher Qutopías Bestreben erkennen, einen rosenfarbenen Blitz nachzuahmen. Später erklärte sie Karl, dass Glücksdrachen nun einmal genau so »schwimmen«. Dieses Wort benutzte sie. Die Fuchur könne ihre Bestimmung nicht erfüllen, wenn sie einfach stur geradeaus fliege.
    Trotzdem kamen die drei Luftreisenden erstaunlich schnell voran, was nicht zuletzt mit ihrer unglaublichen Flughöhe zusammenhing – inzwischen war Karl ja hinreichend mit den phantásischen Dimensionsgesetzen vertraut. Trotzdem zog sich auch der zweite Flug seines Lebens unerfreulich in die Länge. Wieder blickte er auf unterschiedlichste Landschaften hinab, die Herr Trutz gelegentlich durch lautes Geschrei kommentierte: den Anderwald, dessen Wurzeln alle nach oben zeigten, die Sümpfe der Traurigkeit, die einem den letzten Frohsinn rauben konnten, den Zirkulat, einen Fluss, der ewig im Kreis strömte – bald konnte sich Karl die vielen Namen und verwirrenden Beschreibungen nicht mehr merken.
    Einmal mehr erlebte er den Sonnenuntergang aus luftiger Höhe. Der Mond sah noch genauso voll aus wie in der Nacht davor. Karl war durchgefroren wie ein Eiszapfen. Irgendwann griff er verstohlen in den Beutel, den er an seiner rechten Seite am Gürtel befestigt hatte, und holte die Meerschaumpfeife heraus. Unglaublich!, dachte er. Der Pfeifenkopf war tatsächlich immer noch warm und der silberne Deckel sogar zu heiß, um ihn längere Zeit zu berühren. Nicht zu fassen, dass Herr Trutz ihm dieses wundersame Stück einfach so geschenkt hatte. Als kleine Anerkennung. Klein ja, aber offenbar sehr wertvoll.
       
    ∞
       
    Irgendwann war Karl tatsächlich eingenickt. Als er aufwachte, hielt er immer noch die Meerschaumpfeife in der Hand. Nicht auszudenken, wenn er sie im Schlaf fallen gelassen hätte! Er klopfte Herrn Trutz auf die Schulter. Der Alte schreckte hoch. Offensichtlich hatte auch er gedöst.
    »Entschuldigung. Ich wollte Sie fragen, ob wir bald da sind.«
    »Ich habe geschlafen«, rief Herr Trutz, und es klang nicht gerade freundlich.
    »Tut mir Leid.«
    Qutopía wandte sich um und schrie: »Ich habe sie noch nicht gesichtet.«
    »Was soll das heißen?«, rief Karl zurück.
    »Wir kreisen über der Stelle, wo die Wolkenstadt sich befinden müsste, aber sie ist nicht mehr da.«
    »Aber die Karte Ihres Vaters ...«
    »Die ist sicher im Gepäck verstaut. Im Flug kann ich sie nicht rausnehmen.«
    »Dann müssen wir eben landen.«
    »Gern, wenn Sie mir sagen, wo.«
    Karl starrte nach unten, wo er nur eine konturlose schwarze Fläche erblickte. Als er sich zur anderen Seite wandte, sah er, wie sich das Mondlicht auf einer bis zum Horizont reichenden See spiegelte. Anscheinend bestand auch Phantasien zu weiten Teilen aus Wasser.
    »Seht nur!«, rief mit einem Mal Herr Trutz. Er zeigte steil nach oben. Die Blicke der anderen folgten seinem ausgestreckten Arm.
    »Ich hätte nie gedacht, dass sie so hoch treibt!« Qutopía keuchte. »Leider ist der Karte meines Vaters darüber nicht das Geringste zu entnehmen.«
    Jetzt konnte auch Karl es erkennen. Hoch über ihren Köpfen schwebte in den Wolken, schimmernd wie ein vielfarbiges Juwel, eine Stadt.
       
      
      
     
        
WOLKENBURG
     
     
    Die Nachricht von der Landung des Glücksdrachen im illuminierten Palastgarten verbreitete sich wie ein Lauffeuer in ganz Wolkenburg. Zuerst waren die Wachen da, mit Speeren und Schwertern bewaffnete Männchen in elfenbeinfarbenen Rüstungen, die irgendwie an Bruchstücke von Muscheln erinnerten. Ihre Harnische hatten nicht nur Öffnungen für Kopf, Arme und Beine, sondern auch zwei runde Löcher am Rücken, um je einem Paar großen Libellenflügeln den nötigen Spielraum zum Schwirren zu verschaffen. So nämlich bewegten sich die Posten durch die Luft, pfeilschnell und mit unvorhersagbaren Richtungswechseln. Manchmal stießen sie dabei zusammen. Ihren Gesichtern nach zu urteilen – mehr unbedeckte

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