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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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Die Betonung liegt auf dem letzten Wörtchen: entschieden. Wie ich schon sagte: Phantásien verändert jeden, der es betritt, selbst wenn derjenige davor die Augen verschließt. Sie besitzen durchaus Mut und Entscheidungswillen, Herr Koreander, und das haben Sie hier, im Haus der Erwartungen, auch bewiesen.«
    »Können Sie mir nicht doch einfach die Generalvollmacht unterschreiben und ich ...«
    »Schluss jetzt! Ich will nichts mehr davon hören.«
    Karl bemerkte Qutopías unergründlichen Blick und er kam sich – erwartungsgemäß – wie ein Waschlappen vor. Seufzend fügte er sich in sein Schicksal.
    ∞
       
    »Und das Ding soll fliegen?«, fragte Karl. Er hatte ja mit einem ungewöhnlichen Transportmittel gerechnet, aber spätestens jetzt dämmerte ihm, dass sich Erwartungen manchmal ganz anders erfüllten, als man es zuvor angenommen hatte.
    »Ja«, sagte Qutopía.
    Alle vier standen auf einem freien Platz jenseits der hohen Mauer, die Hallúzinas Vater, wie sie erklärte, zum Schutz gegen herumlungernde Riesenschleimlinge errichtet habe. Hinter dem mit Kies bestreuten Geviert erstreckten sich Weinberge, so weit das Auge reichte. Arbeiter waren nirgends zu sehen. Karl fragte sich, wie Hallúzina ihren riesigen Weingarten bestellte und wer sich am Fruchtertrag labte. Sie war doch ganz allein. Dafür gab es tatsächlich eine ganz und gar unglaubliche Erklärung. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.
    Herr Trutz drängte zum Aufbruch.
    »Keine Sorge, die Fuchur ist fast so wendig und schnell wie ein richtiger Glücksdrache«, versicherte Qutopía.
    »Irgendwie habe ich das Gefühl, dieses Ding ist noch nicht ganz ausgereift.« Karls Empfindungen rührten hauptsächlich von der Fremdartigkeit des Fluggeräts her. Er kannte Luftschiffe, Einfach-, Doppel- und Dreifachdecker, hatte sogar Hubschrauber und Heißluftballone am Himmel gesehen, aber so etwas ... Ein Drache war das nun wirklich nicht, jedenfalls keine Nachbildung jener ekelhaften echsenoder schlangenartigen Wesen, die stanken, überall Zacken hatten, sich mit Fledermausflügeln durch die Luft bewegten und dabei Jagd auf übermütige Ritter machten.
    Das riesige Ding namens Fuchur hingegen hatte perlmutterartige Schuppen, die rosig und weiß schimmerten. Sie sahen alles andere als metallisch aus, eher schon warm, fast anschmiegsam. Der lange Leib wirkte so geschmeidig, als könne der künstliche Glücksdrache damit durch den Himmel schwimmen. Vier kurze kräftige Beine verliehen ihm am Boden einen sicheren Stand. Sein Kopf glich dem Haupt eines Löwen, wobei die weiße Mähne durch lange Barten am Unterkiefer ergänzt wurde. Die riesigen Augen waren rubinrot. Am Schwanz entdeckte Karl lange Fransen, die – wie er sich von den Papierdrachen seiner frühen Kindertage her entsann – offenbar der Stabilisierung der Fluglage dienten. Trotz all dieser durchaus ermutigenden Attribute vermisste er jedoch etwas, das er für eine sichere Luftbeförderung als äußerst hilfreich empfand. Auf Qutopías Frage, worauf sich sein Argwohn gründe, antwortete er: »Das Ding hat keine Flügel.«
    »Es ist ja auch ein Glücksdrache«, erwiderte sie mit einer Betonung, die unüberhörbar zur Abgrenzung von gewöhnlichen »Dingern« gedacht war. »Und die haben nun mal keine Flügel.«
    »Aber wie bewegt sich das ... ich wollte sagen, der Glücksdrache dann durch die Luft?«
    »Mit einem Fluidumkonvektionsantrieb.«
    »Ach du liebes bisschen! Was ist denn das?«
    Herr Trutz schnarrte mit gen Himmel gerichteten Augen: »Als Fluidum bezeichnet man die besondere von einer Person oder Sache ausgehende Wirkung, die eine bestimmte geistige Atmosphäre schafft. Die Konvektion indes ist...«
    »Ich weiß, was das ist«, unterbrach Karl den Buchhändler unwirsch und war über seine eigene Schroffheit erschrocken.
    »Entschuldigen Sie, mir ist nur nicht ganz wohl bei dem Gedanken ...«
    »Sie werden sich schon daran gewöhnen, junger Freund. Mit dem Briefgreif sind Sie ja offenbar auch zurechtgekommen. Und nun hurtig! Höchste Zeit, dass wir uns auf den Weg machen.«
    Nachdem sich Herr Trutz sehr innig und Karl eher zurückhaltend von Hallúzina verabschiedet hatten, wurde es ernst. Die Fuchur sei ein äußerst zuverlässiger Prototyp, versicherte Qutopía noch einmal, während Karl den Rücken des mechanischen Drachen erklomm. Warum Prototyp? Das klingt so unfertig, brütete er auf dem Weg zur Anschnallposition. Die Pilotin hatte zuvor aus den

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