Isch geh Schulhof: Erfahrung
Winterferien eine bitter nötige Erholung darstellten. Mit Beginn des neuen Halbjahres im Februar verlief mein Dasein als Lehrer wieder im ständigen Auf und Ab. Auf entspannte und routinierte Tage, an denen ich mich über meinen frühen Feierabend und die abwechslungsreiche Zeit an der Schule freute, folgten solche, an denen ich wieder kurz davor war, den Job hinzuschmeißen und stattdessen lieber über meine Erfahrungen als Lehrer zu schreiben.
Zum Beispiel ein Buch, das all die Höhen und Tiefen dieses Jobs abbildet, das der Öffentlichkeit vor Augen hält, in welch bedrohlichem Zustand sich diese Institution befindet – und was das in naher Zukunft für unsere Gesellschaft bedeutet. Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass verantwortliche Politiker auch nur die leiseste Ahnung davon haben, in welch katastrophale Lage sie unsere Bildungseinrichtungen mit ihren ständigen Sparmaßnahmen und undurchdachten Konzepten manövriert haben. Vor allem Gespräche mit älteren Kollegen bestätigen immer wieder, dass Berlins Schulen seit geraumer Zeit kaputtgespart und mit einer Reform nach der anderen verschlimmbessert werden. Erschreckenderweise habe ich mich sogar an meine Bestürzung über die Zustände gewöhnt.
Jamil, der sich an den Vorfall aus dem Sportunterricht offenbar nicht mehr erinnern kann, hat die Einnahme seiner Medikamente wieder im Griff und begegnet mir nach den Ferien, als wäre nichts geschehen. Mich allerdings hat sein Angriff nachhaltig schockiert, weshalb ich in den folgenden Wochen eine stärkere Sensibilität für mein eigenes Wohlbefinden entwickele. Ich achte penibel darauf, mich nicht mehr ärgern zu lassen. Diese Einstellung bedeutet keineswegs, dass mir die Schüler und die Arbeit mit ihnen am Allerwertesten vorbeigehen, aber in den letzten Monaten habe ich ein deutlich dickeres Pädagogen-Fell entwickelt. Streitigkeiten schlichte ich seit Neuestem einen Tick später, meine Stimme wird seltener laut, und die meisten dummen Sprüche der Schüler belächele oder überhöre ich einfach. Kurz gesagt fehlt mir inzwischen die Energie, weiterhin gegen Windmühlen zu kämpfen.
So verstreichen die Monate, in denen ich mich erst von Unterrichtsstunde zu Unterrichtsstunde, dann von Pause zu Pause, dann von Wochenende zu Wochenende und schließlich von einem Ferienbeginn bis zum nächsten hangele. Es ist so weit: Wie meine Kollegen bin auch ich in eine Tretmühle geraten, in der die Zeit wie im Flug vergeht. Montag, Freitag, Montag, Freitag, Osterferien. Montag, Freitag, Montag, Freitag, Pfingsten. Und so weiter …
Mein Unterricht verläuft im zweiten Halbjahr relativ ereignislos, die Schüler kennen mich inzwischen gut und scheinen mir anzumerken, dass ich etwas gelassener geworden bin.
Weil Schule deutlich weniger Energie verschlingt, wenn man sich nicht permanent über sie aufregt, habe ich mehr Ressourcen für mein Privatleben übrig, was mir verdammt guttut. Mit dem zunehmend besseren Wetter nutze ich meinen frühen Feierabend für ausgedehnte Cafébesuche mit Sarah und unseren Freunden und verlege die Vor- und Nachbereitungsarbeit auf die Abende. In dieser Zeit komme ich auch endlich dazu, mit Sarah intensiver nach Wohnungen zu suchen. So wie sich das Schuljahr dem Ende zuneigt, scheint es also auch mit meinem WG -Leben zu sein.
Seit Beginn unserer Beziehung haben wir zwar fast immer zusammengewohnt, jedoch nie in einer gemeinsamen Wohnung. Stattdessen wurde entweder meine oder ihre WG zu einem gemeinsamen Zuhause. Doch jetzt, wo Sarahs Verbleib in Berlin geklärt ist, können wir uns endlich auf die Suche nach einer großen Wohnung für uns beide begeben.
Weil Berlin aufgrund seiner unerreichten Coolness inzwischen von zahllosen Wahl-Berlinern überschwemmt wird – die nicht nur die Mieten in die Höhe treiben, sondern nach und nach auch die Stimmung des Dorfes herstellen, aus dem sie einst geflohen sind –, ist die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung in einem authentischen Berliner Kiez, der sich irgendwo zwischen Bioladen-Snobbismus und Kampfhundauslaufgebiet bewegt, ziemlich schwer geworden.
Während der frustrierenden Suche traf ich vor Kurzem jedoch eine alte Freundin, die mich spontan zum Kaffee nach oben bat. In ihrer Küche angekommen erklärte sie mir, dass die Wohnung gegenüber in zwei Wochen frei würde. Weil die Mieter schon ausgezogen waren und der Eigentümer meine Freundin darum gebeten hatte, die Schlüssel bis zu seiner Ankunft aufzubewahren, führte sie mich
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