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Isch geh Schulhof: Erfahrung

Isch geh Schulhof: Erfahrung

Titel: Isch geh Schulhof: Erfahrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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für Sexualberatung durchgeführt wurde. Nach der am häufigsten genannten Emotion Ekel fühlten sich viele der befragten Kids durch Pornos angemacht oder gaben an, etwas dazugelernt zu haben; aber auch Wut, Scham und Angst kamen in der Liste der Antworten vor. Nun ist es sicherlich nicht möglich, die Auswirkungen von Pornografie auf Menschen an der Schwelle zwischen Kindheit und Jugend in einer einzigen Studie abzubilden, aber trotzdem waren diese Ergebnisse nicht so verheerend, wie ich befürchtet hatte.
    Was auch immer die Spezialisten sagen: Weil die meisten der Jungs in der Klasse Zugang zu den Filmchen haben und ohnehin das meiste schon gesehen haben, setze ich alles dran, ihnen einen bewussten Umgang damit zu vermitteln. Schließlich haben weder Tabus noch das Verteufeln bestimmter Themen Menschen davon abgehalten, sich trotzdem – oder gerade deshalb – mit Sexualität auseinanderzusetzen. Meine Kollegin hat mich wahrscheinlich nicht umsonst damit beauftragt, den Jungs zu erklären, dass Pornos wenig mit der sexuellen Realität zu tun haben. Auf meine entsprechende Frage, ob mir jemand den Unterschied erklären könne, weiß einer der Jungs aus dem vorderen Teil der Klasse eine Antwort.
    »Pornos sind noch geiler als eschta Sex«, ruft er und streichelt dann mit wildem Blick die imaginäre Frau, die er sich gerade auf seinem Schoß vorstellt.
    Als die erneuten Lacher verklungen sind, erkläre ich, dass die Perspektive, aus denen Pornos meist gedreht sind, nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun haben. Weil Frauen dort häufig als minderwertig dargestellt werden, warne ich die Jungs davor, sich am Verhalten männlicher Pornodarsteller ein Beispiel zu nehmen.
    »Wieso nisch?«, will Dragan verwundert wissen.
    »Weil Frauen genauso viel wert sind und genauso viel zu sagen haben wie Männer – auch im Bett.«
    Sein Kommentar darauf – das hätte ich mir denken können – lässt mich zusammenzucken.
    »Männer können alles bestimmen«, sagt er selbstbewusst, »weil wir können die Frauen in Fresse schlagen!«
    Es ist zum Davonlaufen! Dieser Macho-Mist, diese Bereitschaft zur Gewalt gegenüber Schwächeren und diese Selbstverständlichkeit, mit der die Errungenschaften der Gleichberechtigung mit Füßen getreten werden, lassen mich immer wieder erstarren. Nach Dragans erschütterndem Satz stehe ich einen Moment wie angewurzelt vor der Klasse und suche nach einer angemessenen Reaktion. Dann wird mir mal wieder klar, dass gegen Dummheit nur ein Kraut gewachsen ist: Bildung.
    Unter den verwunderten Blicken der Schüler wische ich die Tafel ab und formuliere eine neue Überschrift: MÄNNER UND FRAUEN – NICHT GLEICH , ABER GLEICHWERTIG ! Dann unterstreiche ich das letzte Wort und frage Dragan, ob er tatsächlich meint, dass stärkere Menschen über schwächere bestimmen können.
    Er nickt.
    »Dann bestimme ich, dass du morgen in einem pinken Kleid zur Schule kommst«, befehle ich ihm streng. »Mit hochhackigen Schuhen, einer blonden Perücke und geschminkt.«
    Als er mir widersprechen will, füge ich leise hinzu, dass ich ihm sonst die Fresse polieren würde. Dann herrscht Stille. Er überlegt, setzt mehrmals zum Sprechen an und überlegt weiter. Schließlich lächelt er mich verlegen an und erklärt mir dann einsichtig, dass es Fälle gebe, in denen auch er unter dem Recht des Stärkeren leiden würde. Seiner Antwort entnehme ich, dass das Mitgefühl, das ich eben in ihm hervorgerufen habe, tatsächlich etwas bewirkt hat.
    Ich nehme die Jungs mit auf eine kleine Reise durch die jahrtausendelange Geschichte der Unterdrückung, Verfolgung und Hinrichtung vermeintlich Schwächerer. Anhand von aktuellen Beispielen der Misshandlung von Frauen in weiten Teilen der Welt konfrontiere ich sie mit der These, dass es sich dabei um ihre Mütter, Schwestern, Cousinen, Tanten oder Freundinnen handeln könnte. Um meine Ausführungen noch stärker in die Lebenswelt der Jungs zu transportieren, füge ich außerdem hinzu, dass es sich bei solchen Ländern teilweise um die Heimat ihrer Eltern handele.
    Abschließend lese ich den Satz an der Tafel vor und mache den Minimachos klar, dass es natürlich Unterschiede im Fühlen, Denken und Handeln von Männern und Frauen gibt, dass dies aber nicht zur Unterdrückung des einen Geschlechts durch das andere führen dürfe. Wegen der ablehnenden Gesichter einiger Jungs mache ich noch einmal unmissverständlich klar, dass kein Mann einer erwachsenen Frau irgendwelche Vorschriften machen

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