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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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wieder bullig heiß und Saskia und Kai fragen nicht, ob ich mit ihnen zum See komme, sie erwarten es schlichtweg von mir. Diesmal habe ich so schnell keine Ausrede parat.
    Ich sitze zwischen Kai und Saskia, höre mit halbem Ohr auf ihre Frotzeleien und bin allein mit meinen quälenden Gedanken.
    Am Mittwoch nach der Schule halte ich es nicht länger aus. Ich muss mit Olek sprechen oder ich werde verrückt. Die Sonne brennt so unbarmherzig vom blauen Himmel, dass es sogar im Schatten des Waldes unerträglich warm ist. Mein T-Shirt ist unter den Armen und auf dem Rücken nassgeschwitzt, als ich den kühlen Gang der Höhle betrete.
    Ich finde Olek im Schein der Campinglampe lesend auf seinem Matratzenlager. Er muss so in die Lektüre vertieft gewesen sein, dass er mein Kommen nicht gehört hat. Als er mich sieht, klappt er das Buch zu und schiebt es unter sein Kopfkissen.
    Â»Hey«, sage ich und wische mir den Schweiß von der Stirn.
    Â»Jola.« Er setzt sich auf, kreuzt die Beine im Schneidersitz.
    Die Nachmittagssonne scheint durch das Fensterloch und erhellt die Höhle. Die äußere Felswand ist nicht sehr dick, und wenn die Sonne auf den Felsen prallt, erwärmt sich der Stein und schafft eine angenehme Raumtemperatur, während draußen alles unter der Hitze stöhnt.
    Â»Ich habe dir Müsliriegel und Äpfel mitgebracht.« Ich leere meinen Rucksack auf den Steintisch.
    Olek hat dunkle Schatten unter den Augen. Sein Gesicht sieht gespenstisch mager aus, so, als hätte er weder gegessen noch geschlafen. Sein Blick geht an mir vorbei und heftet sich auf die vier Äpfel auf dem Tisch.
    Â»Sprichst du nicht mehr mit mir, Olek?«
    Â»Du bist nicht gekommen … zwei Tage.« Jetzt sieht er mich endlich an. »Du hasst mich, Jola. Bitte, hass mich nicht.«
    Â»Ich hab dir doch gesagt, dass ich dich nicht hasse. Aber im Gegensatz zu dir muss ich ein paar gesellschaftliche Regeln einhalten, wie zum Beispiel: zur Schule gehen.«
    Â»Schule«, sagt er bitter. »Du warst am See, mit …« Er schluckt, blickt wieder weg.
    Â»Mit meinen Freunden?«, beende ich den Satz. »Ja, das war ich. Sie beschweren sich, dass ich keine Zeit mehr für sie habe, weil ich dauernd bei dir im Wald bin. Sie werden langsam misstrauisch, sie …«
    Â»Du hast ihn geküsst. Du hast gesagt, er wie ein Bruder für dich, aber so küsst man Bruder nicht. Warum machst du das, Jola?«
    Ich klappe den Mund zu. In Oleks Augen sehe ich seine Not. »Du warst da?«
    Â»Ich passe auf, schon vergessen?«
    Â»Olek.« Ich rutsche auf Knien an ihn heran. »Ich werde es Kai sagen, versprochen. Es ist nur: Was soll ich ihm sagen? Dass ich mich in einen anderen verliebt habe, das kann er vielleicht irgendwann akzeptieren. Aber er würde wissen wollen, wer es ist, und nicht eher Ruhe geben, bis ich es ihm sage.«
    Endlich erscheint ein winziges Lächeln auf Oleks Gesicht.
    Â»Verliebt?«, fragt er.
    Â»Verliebt«, antworte ich.
    Mein Herz schlägt Purzelbäume, als Olek in mein Haar greift und seine Finger mich hinter dem Ohr kraulen, als wäre ich ein kleines felliges Tier. Er schiebt seine Hand in meinen Nacken, zieht mich zu sich heran und legt seine Lippen auf meine. Seine Haare kitzeln meine Stirn, sein Atem schmeckt nach wilder Pfefferminze und sein ganzer Körper ist zärtlich.
    Â»Mein T-Shirt ist ganz verschwitzt«, murmele ich einen halbherzigen Einwand.
    Â»Dann zieh es aus.«
    Viel auszuziehen gibt es bei uns beiden nicht (Olek trägt, wie ich bereits weiß, keine Unterhosen), aber bis wir uns nackt gegenübersitzen, vergeht eine gefühlte Ewigkeit. Keiner von uns beiden sagt etwas, wir betrachten unsere Körper, sind nackter als nackt.
    Ich nestele das Kondompäckchen aus meinen Shorts. »Schon mal eins benutzt?«, frage ich und versuche, mir nicht anmerken zu lassen, wie bedeutungsvoll die Antwort für mich ist.
    Olek nimmt es, runzelt die Stirn und fährt sich mit der anderen Hand verlegen durchs Haar. Er schüttelt den Kopf.
    Mist. »Macht nichts«, beeile ich mich zu sagen, »wir kriegen das hin.« Das klingt selbst in meinen Ohren übertrieben optimistisch, denn bei unserem einzigen Mal hat Kai die Sache in die Hand genommen – im wahrsten Sinne des Wortes.
    Â»Gut.« Mit einem Stoßseufzer der Erleichterung legt er das Kondom in meine verantwortungsvollen Hände

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