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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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nächtliches Sommerkonzert, während die Fledermäuse ums Haus flattern.
    Der Ruf einer Hohltaube kommt direkt aus dem Kirschbaum. Hu-ru-hu-ru-hu-ru. Ich stehe auf und stelle mich ans Geländer, als ich im Licht, das aus meinem Zimmer kommt, eine dunkle Gestalt im Geäst des Kirschbaumes sitzen sehe, einen ziemlich großen Vogel. Das neuerliche Hu-ru-hu-ru endet in einem erstickten Kichern.
    Â»Bist du völlig verrückt geworden?«, zische ich.
    Geschmeidig gleitet Olek über den starken Ast auf meinen Balkon und ich finde mich in einer sehnsüchtigen Umarmung wieder. Wilde Pfefferminzküsse und Oleks raue Hände bringen mich sehr schnell um den Verstand. Ich komme gerade noch so dazu, Kater Paul aus meinem Bett zu jagen und meine Tür abzuschließen, bevor sich eine Woche Sehnsucht Bahn bricht.
    Oleks Körper auf meinem. Seine schmalen, knochigen Hüften, der flache Nabel und die feine helle Haarlinie darunter. Die glatte Haut über den Rippenbögen. Kein Zentimeter Luft mehr zwischen uns. Seine schiefen Zähne, die meine Zunge ertastet, die kleinen Narben auf seiner Haut, von meinen Fingerkuppen gelesen wie Blindenschrift.
    Es ist der Moment, wo ich tatsächlich anfange, an ein gutes Ende dieses Märchens zu glauben. Der Tag war schon beinahe vergangen, doch nun glüht noch ein orangeroter Faden im Gewebe.

25. Kapitel
    D ie Sonne, die durch das Dachfenster in mein Bett scheint, weckt mich. Der Platz neben mir ist leer, nur der Duft nach wilder Minze und Kiefernharz, der noch in meinem Laken hängt, zeugt davon, dass Olek wirklich hier gewesen ist.
    Verträumt streiche ich mit der flachen Hand über das Laken, schließe noch einmal die Augen und rekele mich im Bett.
    Nach dem Frühstück helfe ich Ma, das Mittagessen zuzubereiten. Sie sieht wieder einmal schlecht aus, als hätte sie die ganze Nacht nicht geschlafen. Weil Pa mindestens drei Nächte nicht zu Hause sein wird. Weil meine Mutter befürchtet, dass ich in meinem Wald verschwinde, sobald mein Vater vom Hof gefahren ist.
    Aber das muss ich gar nicht. Olek und ich, wir können uns am See treffen. Oder in meinem Bett.
    Nach dem Essen bricht Pa auf und ich verziehe mich in mein Zimmer, um Saskia eine Mail zu schreiben. Ich bin mittendrin, ihr vom Infoabend im »Jägerhof« zu berichten, da macht es Pling und eine neue Mail landet in meinem Postfach. Sie ist von Kai und enthält einen Anhang. Im Betreff stehen drei Fragezeichen. Mit einem unguten Gefühl öffne ich die Nachricht und schlagartig wird mir schlecht. Obwohl draußen mindestens dreißig Grad sind, friert mein Herz.
    Es sind drei Fotos. Olek und ich, küssend am Seeufer. Olek, wie er mir nachschaut, frontal, in Kais Party Hard -T-Shirt. Und Olek und ich eng umschlungen im Wasser.
    Darunter steht: Die Verräterin und der Dieb.
    Ich presse eine Hand auf meinen Mund. Kai muss uns beobachtet haben. Wie viel weiß er über Olek?
    Mit zitternden Fingern wähle ich Kais Nummer. Er meldet sich sofort. »Hast du meine Fotos bekommen?«
    Â»Ich muss mit dir reden, Kai.«
    Â»Aber ich nicht mit dir, Jola.«
    Â»Bitte, Kai! Komm zum Gartenweg, ich bin in fünf Minuten da.«
    Schon von Weitem sehe ich Kai vor der hinteren Tür seines Gartens auf und ab laufen.
    Â»Wer ist dieser Kerl?«, empfängt er mich. »Und wie lange geht das schon?« Er sieht fix und fertig aus.
    Tränen sammeln sich hinter meinen Augen. Kais Gesicht verschwimmt vor meinem Blick. Jetzt bloß nicht losheulen, Jola. Ich verschränke die Arme vor meiner Brust, um mich zu wappnen.
    Â»Das ist doch der Typ vom Open Air, oder nicht? Du triffst dich mit einem Dieb, verdammt.«
    Die tiefe Verletztheit in seinem Blick martert mein Gewissen. Ich will etwas sagen, doch es kommt kein Wort heraus.
    Â»Der Kerl läuft rotzfrech in meinem Lieblings-T-Shirt herum, Jola. Er hat das halbe Dorf beklaut und dir fällt nichts Besseres ein, als ihn zu küssen. Hast du völlig den Verstand verloren?«
    Ja, habe ich.
    Â»Rede mit mir, Jola!«, fährt Kai mich an. »Hast du etwa mit diesem Typen geschlafen?«
    Ja, auch das.
    Â»Wenn ich ihn in die Finger kriege, bring ich ihn um, ich schwör’s.«
    Â»Er heißt Olek.«
    Â»Olek und?«
    Ich zucke mit den Achseln.
    Â»Ich glaube, ich komme gerade nicht ganz mit.« Kai ist so verblüfft, dass einen Moment lang Wut und Verzweiflung aus seinem Gesicht

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