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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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wilde Jagd stattgefunden und sämtliche Beutetiere haben sich fluchtartig in Sicherheit gebracht. Nur der Schäferhund kann noch in der Nähe sein.
    So schnell und leise ich kann, schiebe ich mich in das dichte Laubwerk eines Busches, lausche angestrengt und schaue mich nach einem Ast um, den ich notfalls als Waffe benutzen kann, um mich gegen gelbe Reißzähne zu verteidigen. Es knackt erneut, die Schwere der Tritte sagt mir, dass es ein größeres Tier sein muss, größer als ein Schäferhund. Ein Rehbock, vielleicht sogar ein Hirsch, obwohl die hier im Wald nur selten anzutreffen sind.
    Sofort entspanne ich mich ein wenig – von einem Hirsch droht mir keine Gefahr. Doch es ist kein Hirsch, der nur Sekunden später aus dem Schatten der Bäume tritt. Es ist ein Junge – mit einem großen Holzbogen über der Brust und einem Köcher mit Pfeilen auf dem Rücken. Sein hellbraunes, von der Sonne gebleichtes Haar steht in zotteligen Locken vom Kopf ab und macht es schwierig, einen Blick in sein Gesicht zu erhaschen.
    Reglos wie eine Eidechse beobachte ich den Fremden durch Lücken im Blattwerk dabei, wie er den Hosenstall seiner knielangen Shorts öffnet und fröhlich zu pinkeln beginnt. Offensichtlich hat er keine Ahnung, dass er nicht allein ist. Schließlich geht er mit offener Hose ein paar Meter weiter und pinkelt erneut, was er noch zweimal wiederholt.
    Ich bin völlig von den Socken. Was macht dieser Hilfsindianer denn da? Sein Revier markieren? Gehört das zu irgendeinem komischen Spiel? So wie vor zwei Jahren, als Pa im Sperrgebiet mal fünf schwarz gekleidete Männer mit Schutzmasken und Gotcha-Gewehren beim Paintball-Spiel erwischt hat, die sich gegenseitig mit Farbkugeln abgeschossen haben.
    Langsam aber unaufhaltsam nähert sich der skurrile Fremde meinem Versteck. Mit seinem Bogen und dem Köcher mit Pfeilen auf dem Rücken erinnert er mich an den smarten Elf Legolas aus »Der Herr der Ringe« und ich muss an Alina denken. Vielleicht hatte sie ja recht und es gibt sie wirklich im Verbotenen Land, die Waldwesen.
    Zu gerne würde ich wissen, worauf er mit seinem Kinderbogen schießt. Auf Bäume? Etwa auf Vögel? Irgendwo muss der Rest der Truppe sein, denke ich und lausche, ob da vielleicht irgendwelche Stimmen sind im Wald. Aber ich höre nichts außer meinem eigenen Atem.
    Der Junge greift immer wieder nach Zweigen der verschiedenen Sträucher und prüft sie auf Tauglichkeit. Für neue Pfeile? Nur ungefähr vier Meter von mir entfernt bleibt er zum Glück endlich stehen. Er schneidet einen geraden Zweig von einem Haselnussstrauch und kappt die Äste. Seelenruhig beginnt er, die Rinde abzuschälen und am Ast herumzuschnitzen. Dabei summt er eine leise Melodie. Die Klinge des Messers funkelt im grün gewaschenen Sonnenlicht.
    Ist das etwa mein Opinel, das der Knabe da benutzt? Er muss es gefunden haben, was für ein dämlicher Zufall. Ich will es wiederhaben. Nur, wie stelle ich das an? Hinter dem Strauch hervorspringen, mit den Armen fuchteln und rufen: »Hey, das Messer gehört mir – und wo wir einmal dabei sind: Der Wald auch.«
    Plötzlich hält der Junge inne und lauscht mit schief gelegtem Kopf in meine Richtung. Habe ich laut gedacht? Oder haben meine Atemzüge mich verraten? Wird er gleich austicken, weil ich ihn beim Pinkeln beobachtet habe?
    Ich trete die Flucht nach vorn an und komme mit forschen Schritten hinter dem Gebüsch hervor. »Hi«, sage ich und fühle mich wie eine komplette Idiotin.
    Der Elf gibt einen Laut des Erstaunens von sich und lässt die Hand mit dem Messer hinter seinem Rücken verschwinden. Er ist einen halben Kopf größer als ich, seine schmalen Gesichtszüge mit den großen Augen und den geschwungenen Lippen passen zu meinem Legolas-Eindruck: Sie strahlen etwas Entrücktes aus – als gehöre er nicht in diese Welt. Ich schätze, dass er in meinem Alter ist. Auf jeden Fall zu alt für Kinderspiele mit Pfeil und Bogen.
    Seine Klamotten sind verwaschen und fadenscheinig. Erst jetzt entziffere ich die verblichene Schrift auf seinem T-Shirt: GAST AUF ERDEN.
    Dacht ich mir’s doch.
    Â»Was machst du denn hier?«, fragt die Herrin des Waldes. »Und wo ist dein Hund?« Es ist nur eine spontane Vermutung, aber ich merke sofort, dass ich ins Schwarze getroffen habe. Für ein paar Sekunden sieht es so aus, als wolle der fremde

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