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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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legt.
    Schüler auf Spurensuche in der Vergangenheit, springt mir die fett gedruckte Titelzeile ins Auge.
    Â»Was ist das?«, frage ich und erfahre, dass der Artikel aus dem Ilmkreis-Boten stammt, dem kostenlosen Wochenblatt, das jeden Mittwoch in den Briefkästen steckt. Er ist von Julius Hitzig, dem Mann unserer Geschichtslehrerin, der ab und zu für den Boten schreibt.
    In seinem Artikel lobt er unsere Projektarbeit und insbesondere den Zeitzeugenbericht über den grünen Klee, und obwohl Julius Hitzig keine Namen nennt, steht ziemlich genau darin, was »die Schüler« herausgefunden haben. Nun wird auch der Letzte in Altenwinkel Bescheid wissen.
    Â»Meine Oma ist stinksauer auf mich, sie sagt, wir würden das ganze Dorf schlechtmachen.«
    Â»Das stimmt überhaupt nicht«, wehre ich mich. »Ich habe nur Tatsachen geschildert, nichts weiter.«
    Â»Damals ging das Gerücht herum, dass Marie mit dem jungen Polen was am Laufen hatte«, erzählt Kai. Als ich daraufhin nicht aus allen Wolken falle, blickt er mich gereizt an. »Hörst du mir überhaupt zu?«
    Â»Ja, klar. Ich dachte nur, deine Oma war 1945 erst sechs Jahre alt.«
    Â»War sie ja auch«, erwidert er ungehalten. »Mensch, Jola, ein paar Leute aus dem Dorf sind echt sauer wegen der blöden Geschichte. Meine Eltern müssen sich neuerdings anhören, dass sie mich hätten besser erziehen sollen und solchen Scheiß.«
    Ungewollt muss ich lachen. »Na, da ist ja vielleicht was dran.«
    Früher, noch vor ein paar Wochen, wäre mein Satz das Stichwort gewesen, die ganze Angelegenheit nicht so bierernst zu nehmen und einfach drüber zu lachen. Früher.
    Â»Was ist eigentlich los mit dir in letzter Zeit?«, fragt Kai missmutig. »Du bist so anders.«
    Â»Nichts. Gar nichts ist los. Meine Mutter liegt mit Zahnschmerzen auf der Couch und glaubt, sie muss daran sterben. Wenn ich in mein Mathebuch schaue, sehe ich nichts als böhmische Dörfer, und wenn ich dieses Haus verlasse, bin ich Freiwild für meine Umgebung. Das ist los.« Und dann noch all das, wovon du keine Ahnung hast.
    Â»Na, Letzteres hast du dir schließlich selber eingebrockt.« Kai steht auf, schaut mich an, als wolle er noch etwas sagen, schüttelt dann aber nur den Kopf und geht, ohne sich zu verabschieden.
    Am darauffolgenden Nachmittag sieht Ma richtig furchtbar aus. Ihre Wange ist dick geschwollen und beginnt, sich grün zu verfärben. Die Schmerzen haben keinen Deut nachgelassen und endlich ist sie bereit, sich noch einmal von Pa zum Zahnarzt fahren zu lassen. Wilma darf mit – perfekt.
    Schnell schmiere ich ein paar Brote und schnappe mir eine Schachtel Kekse und zwei Tafeln Schokolade aus der Vorratskammer, die ich zusammen mit einer kleinen Wasserflasche und zwei Mullbinden in meinem Rucksack verstaue.
    Nun, da das halbe Dorf mich verteufelt, bin ich sehr froh, dass unser Haus das letzte in der Straße ist und ich in meinen Wald verschwinden kann, ohne jemandem dabei zu begegnen. Doch als ich dann zu Fuß durch den Wald eile, spüre ich, dass mir mulmig zumute ist – und das hat ganz bestimmt nichts mit der Wölfin zu tun. Kai und Sassy scheint Lisas Verschwinden nicht sonderlich zu beunruhigen. Aber ich weiß einfach zu viel. Je tiefer ich in den Wald eintauche, desto stärker habe ich wieder dieses Gefühl, beobachtet zu werden, und obwohl ich mir sage, dass ich mir die fremden Blicke nur einbilde, laufe ich unwillkürlich schneller.
    Als ich endlich in Oleks Höhle stehe, ist sein Krankenlager verwaist. Die Nachmittagssonne scheint durch das Fensterloch, sie erwärmt und erhellt den kleinen Raum. Alles ist ordentlich aufgeräumt und sieht irgendwie verlassen aus. Wie eine eiserne Klammer legt sich die Enttäuschung um mein Herz.
    Hat Olek sich aus dem Staub gemacht? Sicher das Naheliegendste, wenn man etwas Schlimmes getan hat. Wieso sollte er mir vertrauen? Weil ich ihm das Leben gerettet und ihm etwas zu essen gebracht habe? Och, das ist doch nicht der Rede wert. Was hast du dir bloß erhofft, Jola? Völlig erledigt lasse ich mich auf Oleks Matratze sinken und befreie mich aus den Riemen des Rucksackes.
    Ja, verdammt, er hätte mir vertrauen müssen. Immerhin weiß ich schon seit ein paar Wochen von seiner Existenz, weiß, dass er der Dieb ist, und habe ihn nicht verraten. Wenn irgendjemand im Dorf herausbekommt, dass ich ihn decke und ihn

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