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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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ihm höchste Befriedigung.
    Ohne es zu wissen, leuchtete ihm allerdings ausgerechnet Hieronymus mit seinen Worten an diesem Morgen den Weg. Marie war nicht die Tochter des Seilers, ihre Zuneigung echt und unverbrüchlich. Bedingungslos. Die Worte des Geistlichen beschworen in ihm jene christliche Überzeugung, die er zum ersten Mal im Zug der Hunderttausenden unter Barbarossas Kommando empfunden hatte.
    Konrad musste sich prüfen, ob das, was in seinem Herzen für sie schlug, ihren Gefühlen auch nur annähernd das Wasser reichen konnte. Dann, und nur dann, das war ihm jetzt klar geworden, war er ihrer wert.
    Nachdem die Rotaugen verzehrt waren, der Halbmond sich in den anderen Teil der Hemisphäre verabschiedet hatte und kein Gespräch, sondern nur noch das Prasseln des Feuers die Ruhe störte, führte Isenhart den Gast an den schlafenden Raben vorbei zu seinem Lager, das er bereitwillig mit Henning teilte.
    Müde sanken sie auf das mit Leinen überworfene Stroh. Isenhart hörte das wohlige Seufzen Hennings. Ein Spalt im Dach gewährte ihm den Blick auf einen Stern, die Venus, wie er wusste.
    All seine Glieder sehnten sich nach der erholsamen Entspannung des Schlafs, dem er sich nur allzu gerne hingegeben hätte, wenn sein Geist auch Ruhe gegeben hätte.
    Seine Gedanken galten Aberak von Annweiler.
    Er sah zu Henning, dessen Gesicht sich im Schlaf entspannt hatte.
    Aberak hatte Anna ermordet und dann – viele Jahre später – Lilith.
    Er hatte zweimal getötet. Zweimal.
    Isenhart spürte, dass dieser Umstand zu der Identität von Aberak von Annweiler führte. Führen musste. Aber sosehr er sich die Vorkommnisse auch zurechtlegte, sie bog, rückwärts ablaufen ließ oder jedes Detail des einen Verbrechens mit denen des anderen abglich, blieb ihm in dieser Nacht Aberaks Identität doch verborgen.
    Sein Bauch – später sollte er das begründen können – befand, dass die Häufigkeit der Morde den Schlüssel darstellte.
    Darüber schlief er ein, und das ferne Licht der Venus bestrich sein Haar.
    Gwegs Ablehnung hatte ihn tiefer getroffen, als Isenhart sich im ersten Augenblick eingestand. Er erwachte bei Sonnenaufgang und sann darüber nach, wie er dem Kolkraben beikommen konnte.
    Isenhart trat vor das Haus, der Tau lag auf den Gräsern und Blättern. Er ging zu seinem Kanal und steckte den Kopf unter das kalte Wasser, zählte gleichmäßig bis zwölf – ein stummer Gruß an die Apostel – und japste dann nach Luft. Das Wasser rann ihm über das Gesicht, den Bart, die Brust hinab.
    Und dann wusste er plötzlich, was zu tun war.
    Barfuß lief er zum Rheinufer, wühlte im Sand, sammelte ein paar Würmer und legte sie in einer Holzschale auf die Türschwelle, oberhalb derer Unnaba zur allgemeinen Verblüffung – immerhin hielt sie sich nicht an Gottes Ordnung, wie Hieronymus ins Feld führte – mittlerweile über vier Eiern brütete. Sie musste sie in der Nacht im Nest abgelegt haben.
    Kurz nur begegneten sich ihre Blicke, dann entfernte sich Isenhart und wartete ab. Gespannt, was nun geschehen würde. Aber Unnabas Geduld stellte ihn auf eine harte Probe. Zweifelsfrei vermochte sie die Würmer zu sehen. Aber sie rührte sich nicht.
    Isenhart sollte nie erfahren, ob Unnabas Disziplin die Oberhand über ihren Beutesinn behalten hätte, denn plötzlich landete neben der Schale, in die er die Würmer gelegt hatte, ein Mäusebussard. Der Greifvogel, der neben Insekten, Fröschen und Blindschleichen durchaus auch Tauben tötete, vergriff sich – ergab sich die Gelegenheit – auch an der Brut anderer Vögel.
    Unnaba attackierte ihn daher sofort, die beiden ließen ihre scharfen Schnäbel aufeinander niederfahren, wobei hier ein Missverständnis vorlag. Während Unnaba ihre Nachkommen gefährdet sah, hatte der Mäusebussard die Eier noch gar nicht registriert und wertete ihren Angriff als den Versuch, ihm die Würmer streitig zu machen.
    Unnaba konnte es weder an Größe noch an Gewicht mit dem Raubvogel aufnehmen, und Isenhart wollte schon dazwischengehen, als er über sich das wohlbekannte Flügelrauschen vernahm. Gweg schoss aus der Luft hinab und nahm auf diese Weise den Ruhestörer zusammen mit seiner Gefährtin in die Zange.
    Federn flogen durch die Luft, alle drei flatterten aufgeregt mit den Flügeln und bedachten einander mit Kreischlauten, bis es demBussard zu bunt wurde und er sich in die Luft schwang – mit zwei Würmern im Schnabel, nach denen er noch beherzt den Kopf gereckt hatte.
    Gweg stieg

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