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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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Trampelpfad verwandelt hatte, kaum noch voran, sodass die vier abstiegen und die Tiere an den Zügeln hinter sich herführten.
    »Vielleicht hatten Aristarchos von Samos und Claudius Ptolemäus nicht mal unrecht«, begann Henning.
    »Wer?«, fragte Konrad. Er führte den kleinen Treck mit einem von Zielstrebigkeit bestimmten Tempo an.
    »Sie waren griechische Gelehrte.«
    »Ich hätt’s mir denken können«, seufzte Konrad leise.
    »Was?«, hakte Henning nach.
    »Nichts. Womit hatten sie recht?«
    »Sie haben behauptet, dass die Erde eine Kugel sei«, sprang Günther ein.
    »Wenn wir uns auf einer Kugel bewegten, würden wir abrutschen«, hielt Konrad von Laurin ihnen entgegen, »ich sehe nicht, dass der Grund sich wölbt.« Er grinste Isenhart zu. Endlich einmal war er der Überzeugung, bei einem dieser Gespräche Schritt halten zu können.
    »Das kommt nur auf die Größe der Kugel an«, gab Henning zu bedenken.
    »Wieso?«, fragte Konrad von Laurin angriffslustig.
    »Wenn die Kugel groß genug ist, entzieht sich uns die Wölbung«, erklärte Isenhart.
    »So ist es«, bestätigte Henning von der Braake.
    »Auch einige arabische Gelehrte glauben, die Gestalt der Erde müsse eine Kugel ein«, flankierte Günther.
    »Muselmanen sind eben Hohlköpfe«, sagte Konrad.
    Die Muselmanen waren ihre ärgsten Feinde, wie Isenhart nur zu genau wusste. Saladin hatte ihnen nachdrücklich vor Augen geführt, wie bitterlich der Lauf der Geschichte sich zu wenden vermochte. Doch Günthers Erwähnung, die zweifelsohne mit seinen Begegnungen in Jaffa zusammenhing, weckte in Isenhart eine neue Idee.
    Konnte ein Volk denn so durchsetzt sein von Schlechtigkeit und Amoral, wenn es gleichzeitig den Almagest zur Himmelsgestirnbetrachtung heranzog und dem Abendland in medizinischer Hinsicht weit voraus war? Und abgesehen von dem Umstand, dass er der größte ihrer Feinde gewesen war – hatte Sultan Saladin mit der Einigung der arabischen Stämme und der Rückeroberung der Heiligen Stadt nicht ein Feldherrengeschick bewiesen, das dem eines Richard Löwenherz ebenbürtig war?
    Die Araber waren Gottlose, gewiss. Aber tat man einmal die Religion beiseite – denn auch sie lebten nach einer, nur eben der falschen –, wurde aus dem unüberbrückbaren Abgrund zwischen ihnen ein Graben. Was für ein unermesslicher Schatz mochte wohl zu gewinnen sein, wenn sie einander als Ebenbürtige begegneten? Und sich austauschten?
    Der Regen wurde stärker, und als sich am Waldrand unter einem Felsvorsprung die Gelegenheit bot, suchten sie Schutz. Den Pferden schien der Regen nichts auszumachen, sie standen einfach da und sahen sich um. Aber Isenhart und die anderen spürten, wie die Feuchtigkeit die Kälte mit sich brachte, wie sie die Haut erreichte, die sich verengte, um die Wärme zu speichern.
    »Habt ihr schon einmal eine Mondfinsternis gesehen?«, fragte Henning.
    Konrad und Isenhart nickten. Walther hatte sie damals geweckt, sie waren noch Kinder. Bei der Erinnerung daran spürte Isenhart wieder die sanfte Berührung seines Lehrers, sah das fröhliche Glitzern in seinen Augen. »Gleich wird sich der Mond verdunkeln«, hatte er mit einer Begeisterung geflüstert, die sofort auf Isenhart übergesprungen war.
    »Es ist eine göttliche Mahnung!«, rief Hieronymus im Burghofaus. Die, die wach waren, bekreuzigten sich, einige suchten Schutz nahe der Burgmauer. Walther und seine zwei Schützlinge standen etwas abseits.
    »Es ist nicht Gott, der hier am Werk ist«, wisperte Walther ergriffen, als sich ein Schatten über den Vollmond zu legen begann, »ich meine: Natürlich hat Gott all das erschaffen. Wovon ihr jetzt aber Zeuge werdet, ist eine seltene Kombination von Positionen der Himmelsgestirne. Die Sonne und der Mond stehen in einer Linie mit der Erdscheibe. Die Sonne taucht uns in Licht – und so ergibt sich ein Schatten, in den der Mond wandert.«
    »Kann es dann auch eine Sonnenfinsternis geben?«, fragte Isenhart leise.
    Konrad schüttelte den Kopf: »Wie kann man nur so dumm sein? Was soll denn die Sonne verdecken?«
    »Wenn die Erde den Mond verdeckt, warum soll dann nicht auch der Mond die Sonne verdecken?«
    »Du denkst schon wieder zu viel, Isenhart«, tadelte Konrad ihn.
    Aber als Isenhart aufsah zu Walther von Ascisberg, begegnete ihm das Lächeln eines beeindruckten Mannes. »Ja«, sagte Walther, hockte sich vor ihn, ergriff seine Hände und strahlte ihn an, »ja, Isenhart. Das ist es. Lass deine Gedanken zu ihrem größten Abenteuer

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