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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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es nicht an Trinkgeld mangeln.
    Bei Michael von Bremen hatte es sich anders verhalten. Er betrat das Frauenhaus und beherrschte den Raum. Wegen seiner imposanten Größe und seiner feuerroten Haare richteten sich alle Blicke auf ihn.
    »Bestimmt sechseinhalb Fuß«, ergänzte Brid auf Isenharts Nachfrage.
    Er hatte lange keine Frau mehr gehabt, das spürte sie damals. Seine ungestüme Art verriet es. Und er war trotz seines einen Armes, der unterhalb des Ellbogengelenks amputiert war, voller Kraft. Als es ans Bezahlen ging, wollte er anschreiben lassen. Sie rief nach Bruno. Ein Wort gab das andere, Bruno griff nach ihm, und dann, schneller als man sehen konnte, schlug Michael von Bremen die Arme des Wirtes beiseite, packte ihn mit der Rechten an der Gurgel und warf ihn mit solcher Wucht an die Wand, dass sich die Risse durch die Maserung zogen.
    »Fang keinen Händel mit mir an«, hatte er gebrüllt, um Bruno dann die Treppe hinabzustoßen.
    »Das alles mit einem Arm?«, fragte Henning von der Braake.
    Brid nickte. Sie spürte, wie Ehrfurcht über die drei Männer kam.
    »Kannte er Ketlin?«, wollte Konrad wissen.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Brid wahrheitsgemäß und wandte sich an ihn, »du denkst, er hat sie ermordet?«
    »Ja«, sagte Konrad von Laurin knapp. Und, wie um sich zu vergewissern, schaute er zu Isenhart.
    Dessen Muskeln und Sehnen waren gespannt, er fühlte sich trotz der späten Nachtstunde merkwürdig lebendig. Jetzt, sechs Jahre später, sechs Jahre, nachdem er den Herrgott um seinen eigenen Tod angefleht hatte, neben Annas Leiche im Schnee kniend, gab es so etwas wie einen ersten Kontakt. Sie jagten keinem Geist mehr nach, keinem Mann, der wiederauferstanden war und als Draugr Angst und Schrecken verbreitete – sondern einem Mann aus Fleisch und Blut.
    Rote Haare und einarmig. Eine Verwechslung, dachte Isenhart, dürfte schwerlich vorliegen.
    »Aber warum?«, fragte Brid. Sie erschauerte innerlich bei der Erinnerung an diesen Mann, an dessen fast übernatürliche Kraft, und bei dem Gedanken daran, wie wehrlos Ketlin ihm gegenübergestanden haben musste.
    »Wo können wir ihn finden?«, fragte Henning, der immer noch an der Tür stand.
    Er riss Isenhart aus seinen Gedanken. Was Brid ihnen erzählte, war immerhin drei Jahre her. Andererseits zeugte der Mord an der Wirtstochter von seiner Verbundenheit mit der Gegend um Spira.
    »Ich weiß nicht«, bekannte die Hure.
    »Denk nach, Weib«, herrschte Konrad sie an, »er muss doch etwas gesagt haben.«
    Brid deutete ein Kopfschütteln an, als ihr doch noch eine Kleinigkeit einfiel: »Nur, dass er viel unterwegs ist, das hat er erzählt. Und beim ersten Kreuzzug dabei war.«
    Isenhart merkte auf: »Bist du ganz sicher?«
    »Ja.«
    »Und weißt du sonst noch etwas von ihm? Oder jemanden, der uns sagen kann, wo wir ihn finden können?«, fragte Henning.
    »Er war nur einmal hier und dann nie wieder. Aber vielleicht weiß Bruno mehr. Oder die anderen.«
    Bruno und die anderen Hübschlerinnen meinten, bei Michael von Bremen den bösen Blick gesehen zu haben. Brunos linke Hand war damals angebrochen gewesen, ansonsten hätte er sich den Kerl natürlich zur Brust genommen.
    Eine Hübschlerin wusste zu berichten, dass von Bremen ein eiskalter Lufthauch folgte, wenn er dicht an einem vorbeischritt. Und eine andere war felsenfest davon überzeugt, unter seinem dichten, roten Haar die Ansätze von zwei Höckern gesehen zu haben, wenn das Kerzenlicht günstig stand.
    Isenhart begriff, dass sie alle auch nichts Substanzielles über den Mann zu berichten wussten.
    »Ich kann mich an ihn erinnern«, sagte die Tochter des Seilers leise, als die drei sich schon zur Tür wandten, »aber da war ich noch ein Kind.«
    Isenhart ging auf sie zu, packte sie am Oberarm, etwas fester als vorgesehen, und starrte ihr aus kürzester Distanz in die Augen. Einen Augenblick lang wusste das Mädchen nicht, vor wem sie mehr Furcht empfinden sollte. Vor dem, den die drei suchten, oder vor dem, der durch sie hindurchzusehen schien.
    »Sprich.«
    »Er hatte Zwist mit meinem Onkel, dem Flickschuster.«
    »Wie heißt er? Wo finden wir den?«
    »Er hat seine Werkstatt zwei Gassen von hier nach Süden«, erwiderte Iris, »sein Name ist Friedmann.«
    Isenhart entließ den Arm aus seinem Griff, und das Mädchen begann, die Druckstelle zu massieren, die beim Zupacken entstanden war.
    »Und worüber haben die beiden gestritten?«, wollte Konrad wissen.
    Schnell zauberte das Mädchen ein

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