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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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besudelt, den Mund weit offen, als richte sie ihren stummen Schrei an Gott, die Augen vor Entsetzen weit geöffnet. Bruno schwor beim Leben seiner Mutter, diesen Teufel zu finden, allerdings lebte seine Mutter nicht mehr, und kaum zurück im Frauenhaus hatte er frisch Gebrannten in sich hineingeschüttet und war für die nächsten zwei Tage nicht zu gebrauchen gewesen.
    Den Namen Aberak von Annweiler hatte Brid noch nie gehört. Auch hatte keine der anderen Huren je von ihm berichtet. Dabei tauschten sie sich über jeden Freier aus. War er gefährlich? Spendabel? Wurde er aus nichtigem Anlass schnell zornig?
    Der erschreckende Gedanke, sie selbst könnte einem Freier von ihrer Schwester erzählt haben – so wie auch Konrad von Ketlin wusste –, der ihr dann in der Nacht auflauerte, sie in den Verhau zerrte und ermordete, schoss Brid durch den Kopf. Aber ein Aberak von Annweiler hatte nicht das Lager mit ihr geteilt, da war sie sich sicher. Also schüttelte sie den Kopf.
    Während Isenhart seine Augen auf einen weit entfernten Punkt richtete, befiel Konrad eine innere Unruhe, die er immer dann empfand, wenn er nicht wusste, was er mit all der Energie, über die er verfügte, anfangen sollte. »Bist du dir ganz sicher?«, fragte er noch einmal.
    »Ja«, antwortete Brid.
    Henning wandte sich zur Tür, legte die Hand auf das runde Türeisen und sah zu Isenhart: »Ich fürchte, wir kommen hier nicht weiter.«
    »Wir können die anderen Huren fragen«, warf Konrad von Laurin ein.
    »Ja«, stimmte Henning zu.
    »Das wird zu keiner anderen Antwort führen«, stellte Isenhart fest, »keine der Hübschlerinnen kennt Aberak von Annweiler. Weil er – sollte er je hier gewesen sein – einen anderen Namen benutzt hat.«
    »Einen anderen Namen?«, sagte Konrad und sprach damit das aus, was auch Brid sich fragte.
    »Aberak ist nicht sein wahrer Name, das wissen wir«, führte Isenhart aus, »denn Aberak von Annweiler ist schon lange tot. Wenn ich der Mörder wäre, würde ich mich nur dann als Aberak von Annweiler ausgeben, wenn ich vorhabe zu morden. Alles andere wäre ein unnötiges Risiko. Und jemand, der sich mit einem fremden Namen tarnt, ist nicht dumm. Und wer nicht dumm ist, geht kein unnötiges Risiko ein. Falls er also hier war, in diesem Frauenhaus, dann ganz gewiss nicht als Aberak von Annweiler. Aber vielleicht unter seinem richtigen Namen.«
    Konrad wurde fast schwindlig bei dem Tempo, mit dem Isenhart seine kausalen Schlüsse zog. »Und was bedeutet das?«, fragte er.
    »Das bedeutet, dass wir Aberak von Annweiler vergessen müssen. Wir suchen jemanden mit sehr auffälligen Äußerlichkeiten.« Isenhart wandte sich erneut Brid zu, er ging vor ihr in die Hocke. »Wir suchen einen Mann, von dem wir zwei Dinge wissen: Er hat rote Haare und nur einen Arm.«
    Mit einem Schlag empfand Brid keine Furcht mehr vor ihm. Sie spürte, Isenhart würde diesen Mann jagen und nicht aufhören, bevor er es vollbracht hatte. Und überdies war sie erleichtert, ihm endlich helfen zu können.
    »Michael von Bremen«, sagte sie, »er ist ein Einarmiger mit roten Haaren.«
    Die drei Männer erstarrten.
    Konrad schwang vom Lager hoch. »Und er ist einarmig?«
    Brid nickte.
    »Und er hat rote Haare?«, versicherte Henning von der Braake sich.
    »So ist es«, antwortete Brid, »er war vor drei Jahren hier. Bruno hat ihm seine Narbe zu verdanken.«
    »Erzähl uns von ihm«, forderte Isenhart sie mit leiser, aber eindringlicher Stimme auf.
    Es war keine schöne Erinnerung, die er damit bei ihr wachrief.
    »Es war vor drei Jahren, da tauchte er hier auf, schmiss mit Geld um sich, und seine Wahl fiel auf mich«, gab sie fast mechanisch wieder. Dass er sie den anderen Hübschlerinnen vorgezogen hatte, erfüllte sie immer noch mit einer Spur Stolz.
    Krüppel, Entstellte und zahnlose Greise kehrten hier ein, kurzum Männer, denen sich ohne Gegengabe keine Frau mehr hingab. Brid war das gewohnt, und gerade jene, denen Gliedmaßen amputiert worden waren, machten ihr am wenigsten aus. Bein- und Armstümpfe schienen stets dorthin zu deuten, wo sich einst Hände oder Füße befunden hatten. Meist waren es bemitleidenswerte Gestalten, die ihren Verlust nie überwunden hatten und sich bei ihr versicherten, doch noch ein ganzer Mann zu sein. Brid versicherte es ihnen und ließ sie später, kurz vor der Bezahlung, wissen, dass sie noch nie mit so einem wilden Liebhaber das Lager geteilt habe. Für gewöhnlich blühten die Krüppel dann auf und ließen

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