Isenhart
Unterholz fiel, vernahmen sie kein Geräusch. Leise berieten sie sich, was nun zu tun sei. Das Licht stammte zweifelsohne von einem Feuer, und wo ein Feuer prasselte, waren Menschen zugegen. Fragte sich nur, welcher Art sie waren. Reisende wie sie oder eine Bande von Räubern, die ihr Lager hier aufgeschlagen hatten, um Kaufleute zu überfallen. Günthers Rat folgend saßen sie auf, bevor sie sich weiter näherten, um im Zweifelsfall ihr Heil in der schnellen Flucht suchen zu können.
Ein Trampelpfad führte von dem Feldweg ins Dickicht, sie hoben die Arme, um Zweige beiseitezuschieben, während sie ihre Pferdeim Gang auf das Licht zuführten. Konrad hielt an, sah über die Schulter und lächelte ihnen triumphierend zu. Vor ihnen lag ein Haus, aus dem Feuerschein fiel. Aus einer Öffnung im Dach zog der Rauch ab. Vor dem Eingang standen zwei Pferde, die von ihren Besitzern an der Tränke angebunden worden waren.
Konrad stieg ab und klopfte an die schwere Holztür. Es dauerte nur einige Augenblicke, dann wurde ihnen von einem Mann um die vierzig Jahre geöffnet. Aber nur einen Spaltbreit.
»Was wollt Ihr?«
»Wir suchen Unterkunft für die Nacht«, antwortet Konrad.
Der Mann richtete einen prüfenden Blick auf die drei Begleiter des stämmigen Burschen vor ihm. Die Skepsis, die er empfand, verbarg er nicht.
»Wir sind auf dem Weg nach Mannenheim und vom Unwetter überrascht worden«, sprang Henning Konrad bei. Ob der Mann ihn verstanden hatte oder nicht, war unklar, denn weder in seiner Haltung noch in seinem Gesicht war eine Regung zu erkennen.
»Wir sind auf dem Weg nach Mannenheim«, wiederholte Henning daher eine Spur lauter.
»Ich habe Euch verstanden«, unterbrach der Mann ihn, »tretet näher, damit ich Eure Gesichter sehen kann.«
Die vier stutzten nur kurz. Niemand reiste nachts, wenn es sich nicht irgendwie vermeiden ließ. Und wie es aussah, befand sich in der näheren Umgebung kein Haus, keine Siedlung, niemand, bei dem der Mann um Hilfe hätte ersuchen können. In seinen Augen, das wusste Isenhart, mussten sie als verdächtig erscheinen. Ein Wunder, dass er ihnen nicht einfach die Tür vor der Nase zuschlug. Also traten sie näher, bis der warme Lichtschein, zu dessen Quelle ihre zitternden Leiber sich sehnten, über ihre Gesichter strich, sie aus den Grautönen der Nacht riss und ihnen Farbe und Kontur verlieh.
»Wir haben die beiden Pferde gesehen«, sagte Isenhart, »wir hatten gehofft, Ihr betreibt eine Herberge.«
Der Mann, er trug eine schmutzige Hose und ein hellgraues, sehr sauberes Hemd, seine nackten Füße standen auf dem geklopften Lehm, der den Boden bildete, verfiel erneut in Regungslosigkeit. »Wir haben nur ein Fremdenzimmer«, brachte er endlich hervor, »und in dem liegen schon zwei Kaufleute. Ihr müsstet mit der Scheune vorliebnehmen.«
Dabei öffnete er die Tür etwas weiter, sodass sich den vieren ein Blick in den Innenraum bot. Ein Schankbrett, zwei Tische, eine Eckbank am Kamin, nichts Außergewöhnliches, aber da sie am ganzen Leib zitterten, erschien es ihnen von überirdischer Behaglichkeit. Der Wirt, um den es sich wohl handelte, deutete mit einer Kopfbewegung nach links zu einem ans Haupthaus angrenzenden Bretterverhau. Sie folgten seinem Blick. Der Verhau verfügte über ein Dach, sie würden es trocken haben und durch die Seitenwände gegen Wind geschützt sein. Einem Lager unter freiem Himmel war dies allemal vorzuziehen.
»Die Scheune reicht uns«, artikulierte Konrad ihre Gedanken. »Wir haben Hunger.«
Der Mann musterte sie noch einmal, als könne er auf diese Weise ihre wahren Absichten offenlegen. Schließlich gab er sich einen Ruck. »Ich bin Anselm«, stellte er sich vor und trat im gleichen Atemzug zurück, um ihnen Eintritt zu gewähren.
Konrad steuerte sogleich auf die Eckbank neben dem Kamin zu, und nachdem Günther als Letzter das Wirtshaus betreten hatte, schloss Anselm die Tür und verriegelte sie mit einem massiven Querbalken. Weil die anderen dasselbe Bedürfnis hatten, saßen sie im Nu dicht gedrängt vor dem Feuer.
Anselm rührte mit einem starken Zweig in einem Kessel über der Feuerstelle. Konrad erhob sich und warf einen Blick hinein. Der Stock zog eine Schneise durch eine bräunliche Masse. Aus dem Gefäß dampfte ein erdiger Geruch.
»Was ist das?«, fragte Konrad.
»Buchweizengrütze«, erwiderte Anselm.
Die Begeisterung, die Konrad vor wenigen Augenblicken noch bei der Aussicht auf eine warme Mahlzeit empfunden hatte,
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