Isenhart
und es kämen noch mehr und würden hier sesshaft und die Preise in die Höhe treiben. Warum sollten wir zu unserem Nachteil handeln, hm?«
Darauf wussten weder Isenhart noch Konrad eine kluge Antwort.
»Wie können wir Euch helfen?«, fragte der zweite Wachmann.
Nachdem Isenhart von ihrem Anliegen, nach Barcelona übergesetzt zu werden, erzählt hatte, warnte ein Wachmann sie zunächst vor Dieben und wies ihnen dann den Weg zum Hafen. Dort unten organisierten einige Männer den Fährverkehr, die einander in tiefer Feindschaft verbunden waren. Einer, der Speise und Lager für Reisende bot, betrieb sein Geschäft unten am Hafen ganz links.
»Wie ist sein Name?«, wollte Konrad wissen.
»Luca Passaforo.«
Konrad seufzte.
»In dieser Gegend stimmt doch etwas grundsätzlich nicht«, bemerkte Konrad halblaut, während sie sich durch die engen Gassen drückten, in denen die Ausdünstungen von Mensch und Tier bleiern in der Luft hingen und rege Betriebsamkeit herrschte. Jeder schien ein wichtiges Ziel zu haben, niemand trödelte, mit Ausnahme von zumeist versehrten Bettlern und jenen, die ein Schwätzchen hielten.
Diese allgemeine Geschäftigkeit, die wie ein Flirren über derganzen Stadt zu schweben schien, ließ sie alsbald die Orientierung verlieren. Gassen kreuzten von allen Seiten, und kaum führten sie auf einen kleinen Platz, meist mit einem Brunnen, verzweigten sie sich wieder. Oftmals reichten die Balkone so weit in die Gassen hinein, dass sie die Galerie der gegenüberliegenden Gebäude beinahe berührten.
Die Frauen zollten der mörderischen Mittagshitze durch leichte Kleidung Tribut, der von der See wehende Wind drückte das dünne Leinen bisweilen ansprechend an die Körper. Konrad verrenkte sich den Hals.
Um sie herum drängelten sich Pilger, Kaufleute, Kreuzfahrer und Abenteurer ebenfalls durch die Gassen, die Worte von einem Dutzend Sprachen glitten durch die flimmernde Luft.
»Ich weiß nicht, wo wir sind«, bekannte Konrad.
Isenhart war stehen geblieben. »Ich auch nicht«, stimmte er dem Freund zu, »die Stadt ist wirklich groß.«
»Ja, groß und …«
Konrad brach mitten im Satz ab. An ihnen schritt ein Mohr vorbei, der einen Hut auf dem Kopf trug, an dem Federn staken. Um seinen Hals raschelte eine Kette aus kleinen Knöchelchen.
Konrad schlug eilig das Kreuz. Isenhart starrte dem Mann beeindruckt hinterher.
»Mit der ganzen Gegend stimmt was nicht«, war Konrad von Laurin überzeugt.
»Immer bergab«, sagte Isenhart.
»Was?«
»Immer bergab«, wiederholte Isenhart, »der Hafen muss am niedrigsten Punkt der Stadt liegen.«
Am Hafen, einer breiten Uferbefestigung, die den Wellen trotzte und geschützte Ankerplätze für die Schiffe bereithielt, banden sie ihre Pferde an und stiegen hinab zum Wasser, das seine Massen in einem kraftvollen, dunklen Blau gegen die Anlagen drückte.
Einen andächtigen und auch ehrfürchtigen Moment lang starrten sie hinaus auf diese schier unendliche Ebene aus Wasser. Konrad hielt seine Hand hinein und fuhr anschließend mit der Zunge über seine Finger. Er hustete.
»Salzig«, stellte er fest.
Er überlegte, wie viele Tonnen Wasser ein Meer mit sich trug, und wie es kam, dass dieses Wasser salzig schmeckte und jenes von Flüssen und Seen nicht. Er hätte sich noch viel weiter und tiefer in diesen Gedanken verloren, wenn nicht plötzlich das Knurren von Konrads Magen an sein Ohr gedrungen wäre.
Luca Passaforo war ein fetter, gedrungener Kerl mit grauen speckigen Haaren, die sich bis auf seine wulstigen Schultern schlängelten. Tiefe Lachfalten zogen sich von seinen Augenwinkeln in Richtung Schläfen. Immerzu umspielte ein Lächeln sein loses Mundwerk.
Er war Koch, Reeder, Sklavenhändler, Zuhälter und Reiseführer in Personalunion.
»In der Reihenfolge«, wie er lachend hinzufügte.
Seine Tochter Patricia, ein Kind von fünfzehn Jahren, die Haare so schwarz wie die Augen, vom Herrn geschaffen, um den Männern den Verstand zu rauben, bediente sie mit Rotwein, der sanft in Kelchen hin und her schwappte.
Zum späten Nachmittag waren Isenhart und Konrad die einzigen Gäste in Lucas Spelunke, die ihre Gäste auch draußen bediente, auf einer Terrasse, von der aus sie einen freien Blick auf das Meer genießen konnten. Auf die Galeeren, die anlegten und beladen wurden. Der ganze Hafen war in Bewegung.
»Hübsches Kind, Eure Tochter«, sagte Konrad.
»Ja«, lachte Passaforo gegen eine Bö, die über den Kai bis zu ihnen hinauffegte, »und wer sie
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