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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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Schütterkuss.«
    Der Mann am Tisch wurde kurz von der Reglosigkeit gepackt, die er mit einem kurzen Schütteln verscheuchte. Er stand auf und überragte Konrad um eine halbe Haupteslänge. Auch war er breiter gebaut. »Ich bin Ragbert. Und wenn Ihr ein wenig Euren Mut kühlen wollt, sollten wir vor die Tür in den Wind treten.«
    Konrad nickte grimmig.
    »Lass sie durch«, ließ sich eine Stimme hinter ihm vernehmen,und als er sich ihr zuwandte, gab er auch den Blick auf sie frei. Meige Schütterkuss war eine feingliedrige und energische Person. Die blonden Haare angeordnet wie ein Heiligenschein, ließen ihre Augen sie wissen, dass sie eben das nicht war, eine Heilige.
    Hinter der Gittertür herrschte akribische Ordnung. Hier lagerten Wertgegenstände jeglicher Natur. Münzen, Metallbarren, Schmuck, Edelsteine, Besitzpapiere, wertvolle Kerzenleuchter, Büsten, Sporen, Schwerter. Ringe, Kettenhemden, Rüstungen, Diademe. Eine Lagerstatt in der Ecke des Gewölbes, das immer dort zu Boden abfiel, wo es durch eine Säule gestützt wurde, gab Auskunft darüber, wo Meige nächtigte. Die Frage nach der Versorgung beantwortete eine Feuerstelle, in der verbranntes Holz nachglühte und sich ein Rauchabzug in die Decke bohrte. Die Frau selbst steckte in einer Art Tunika, die keinen einzigen Fleck oder gar ein Mottenloch aufwies.
    Sie erbat einen Blick auf die Haller Silbermünzen, die Isenhart mit sich führte. Und befand sie für schwer. Nachdem sie sich mit einem beherzten Biss und im Anschluss daran mit einer Kneifzange der Konsistenz dreier Münzen vergewissert hatte, erklärte sie sich zu Verhandlungen bereit.
    Meige Schütterkuss, so stellte sich heraus, war keinesfalls Besitzerin all des Reichtums, den sie hier unten, geschützt durch Gittertüren und bewacht von Ragbert, angesammelt hatte, sondern lediglich eine Verwalterin.
    Ihr Mann, Martin der Kleinere, ein Händler, war bei einem Überfall ums Leben gekommen, weil die Räuber es auf seinen Geldbeutel abgesehen hatten. Aber was wäre wohl geschehen, wenn man ihn mittellos angetroffen hätte? Es hätte nichts gegeben, was zu verteidigen er sich verpflichtet gefühlt hätte. Nichts, weswegen man ihn hätte töten müssen. Vielleicht hätten sie ihm noch einen Stoß oder Tritt versetzt oder einen Schabernack mit ihm getrieben. Aber es hätte keinen Grund gegeben, ihm die Kehle durchzuschneiden, wie man es getan hatte.
    Etwas von Wert mit sich zu führen, resümierte Meige Schütterkuss, war ein Risiko. Und wenn man noch dazu die Alpen zu überqueren gedachte, war es außerdem Ballast. Also hatte sie ein System erdacht, das beides minderte, das Risiko ebenso wie das Gewicht. Sie sah auf.
    Konrads Miene war von Skepsis bestimmt, wie Meige Schütterkuss für sich feststellte, der Schmale dagegen schien ehrliches Interesse an ihren Ideen zu hegen. Trotz des Dämmerlichts hier unten wirkte sein Blick wach.
    Sie werde, erläuterte sie den beiden, den Wert des Silbers auf einem Pergament festhalten und dieses versiegeln. »Nachdem ihr die Alpen überquert habt«, fuhr sie fort, »werdet Ihr nach Birizona kommen. Dort lebt ein guter Geschäftspartner, der Euch gegen Vorlage des Pergaments den Gegenwert des Silbers in norditalienischen Münzen auszahlen wird.«
    Konrad war nicht gewillt, dieser Sache auf den Leim zu gehen, er sah den Freund von der Seite an.
    »Und Euer Vorteil bei der Sache?«, fragte Isenhart.
    »Ich behalte eine Silbermark ein, ebenso wie mein Bekannter in Birizona.«
    »Ah ja, Euer Bekannter«, warf Konrad ein und stellte sich eine Spur breitbeiniger hin, um für einen Angriff von Ragbert gerüstet zu sein, »und was ist, wenn der nie von Euch gehört hat oder uns für das Stück Pergament nichts gibt?«
    Ein Einwand, der auch Isenhart aufmerken ließ.
    »Wir haben eine Vereinbarung«, hielt die kleine Schütterkuss ihnen entgegen, »selbstverständlich verteilt mein Freund in Birizone auch diese Pergamente an norditalienische Kaufleute aus Milano oder Venezia oder Genova. Weigert er sich, Euch Euren Besitz auszuzahlen, werde ich den Besitz seiner Freunde hier ebenfalls einbehalten. Das ist ein Zustand, der für keine Seite einen Vorteil birgt. Weswegen es aus der Sicht eines Kaufmanns unsinnig wäre, ihn absichtlich eintreten zu lassen.«
    Das ergab in der Tat einen Sinn, dem sich selbst Konrad von Laurin nicht verschließen konnte.
    »Und wie heißt dieser Kaufmann in Birizona?«, wollte er wissen.
    »Simone Canzano«, antwortete Ragbert hinter ihnen.

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