Isenhart
gelaunten Konrad seine Tage zu verbringen.
»An der Seite von Gérard de Ridefort hättest du dich nicht so aufgeführt«, ließ Isenhart nebenbei fallen, »und das liegt daran, dass de Ridefort vom gleichen Stand ist wie du. Und ich nur ein Knecht bin.«
»Das ist nicht wahr«, fuhr es Konrad mit Nachdruck aus dem Mund.
»Denk mal darüber nach.«
»Es ist nicht wahr.«
»Und deinem Vater machst du damit ganz gewiss auch keine Ehre.«
»Und das ist auch nicht wahr.«
Isenhart kommentierte die Sache nicht weiter, aber er bemerkte doch aus den Augenwinkeln, wie Konrad sich im Sattel straffte und dezent räusperte. Es verging eine Weile, bis Konrad wieder das Wort an ihn richtete, er lächelte sogar ein wenig.
»Bist du auch gespannt auf dieses Meer? «
Isenhart konnte sein Grinsen nur schwerlich unterdrücken. Er nickte: »Und ob.«
Aller Zank war damit beiseitegeschoben und vergessen. Er hatte nie existiert. Und auch, wenn es nicht dem entsprach, was vorgefallen war, entsprach es letztendlich doch der Wahrheit.
Bevor sie das Meer erblickten, rochen sie es. Ein Aroma aus Salz und Tang und feuchter Luft wehte ihnen entgegen. Isenhart und Konrad führten ihre Pferde hinter sich her und um die nächste Biegung.
Die beiden blieben so abrupt stehen, dass Konrads Pferd mit dem Kopf gegen seine Schulter stieß. Tief unten breitete es sich aus, das Meer, ein schimmerndes Spiel aus Gischt und hellem Blau, bald sanftem Grün, das sich erstreckte, ohne dass man ein gegenüberliegendes Ufer hätte ausmachen können.
Und blickte man nach links oder rechts, ließ sich auch dort keine Begrenzung erkennen.
»Das muss das Meer sein«, stellte Konrad andächtig fest.
»Wie groß es ist«, kam es Isenhart über die Lippen. Der Anblick dieser Weite, die Wucht der Natur, vor der er sich unglaublich klein und vernichtend unwichtig fühlte, ähnlich dem Anblick der höchsten Berge, ergriff ihn. Die Haare auf seinem Unterarm stellten sich kerzengerade auf.
So verharrten sie dort einige Augenblicke, unfähig, ihren Gefühlen Worte zu verleihen.
Nur etwas weiter – nämlich eine weitere Biegung des Weges – erhoben sich die Stadtgrenzen Genovas.
Der Apennin fiel hier so stark zur Küste ab, dass sich das Stadttor erst ins Blickfeld des Betrachters schob, wenn man es beinahe schon erreicht hatte.
Die Porta Soprana, so sein Name, war mit zwei großen, runden Wachtürmen bewehrt, auf deren Plattformen die genuesische Flagge wehte, ein rotes Kreuz auf weißem Grund, gleichzeitig Symbol der Kreuzfahrer. Der Anblick des Tuches löste in Konrad die Erinnerung an den Zug des Kreuzfahrerheeres unter Barbarossa aus. An jene Schicksalsstunden, die er Seite an Seite mit Dolph von Grundauf durchgestanden hatte. Und natürlich die Erinnerung an seinen Vater, der ihm bis nach Philippopolis gefolgt war.
Die Wachleute am offenen Tor fragten sie, welches Ziel ihre Reise habe. Dabei legten die Genuesen, die ihre Helme abgelegt und die Lanzen nicht am Mann trugen, sondern sie wenige Schritte entfernt an die Stadtmauer gelehnt hatten, eine freundliche Gelassenheit an den Tag.
Bevor ihnen eine Antwort über die Lippen kam, fiel einem der Wachleute das Wappen auf Konrads Wams auf. Interessiert erkundigten sie sich, welche Stadt es repräsentiere, wie groß sie sei und wie weit entfernt sie sich befinde.
Verlangte ihnen die Entfernung, die Isenhart den Wachmännern anhand der Anzahl der zurückgelegten Tagesreisen verdeutlichte, Anerkennung ab, verhielt es sich bei dem Vergleich der Größe der Städte andersherum.
Spira, so schätzte Isenhart recht exakt, wurde von knapp über 2000 Menschen bewohnt, eine Ortschaft auf dem Sprung.
»Hier leben fünfzehn Mal so viele Menschen«, antwortete einer der Männer, die sie mit einem nachsichtigen Lächeln bedachten, das frei war von Hohn oder Spott.
»Sicher führt der stete Sonnenschein aufs Haupt dazu, zu Übertreibungen zu neigen«, vermutete Konrad mit gespielter Fröhlichkeit. Doch die Genuesen ließen sich von ihm nicht provozieren, sondern begegneten ihm mit einem entwaffnenden Lächeln.
»Wir Genuesen übertreiben immerzu«, bekannte derjenige freimütig, der das erste Wort an sie gerichtet hatte, »zuerst bei der Größe unseres Gemächts, dann bei der Schönheit unserer Frauen, bei der Anzahl unserer besiegten Feinde und schließlich bei der Liebe, die unsere Mütter für uns empfinden. Aber nie, niemals, würden wir bei der Größe Genovas übertreiben. Denn das weckte nur Neugierde,
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