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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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seinem gewaltsamen Tod, herausfanden. Sie streiften Alexander von Westheim und Hieronymus, Dolph von Grundauf und Chlodio. Über alles und jeden verschafften sie sich mit- und durcheinander Klarheit.
    Lediglich Henning von der Braake ließen sie dabei aus. Isenhart gewährte seiner Frau, wie auch Konrad, zwar Einblick in seine Rekonstruktion der Ereignisse. Wann Henning was weshalb getan hatte. Oder unterlassen.
    Aber stets, wenn sie ihn fragten, warum Henning ihn gerettet oder verschont hatte, in der Scheune des Wirtshauses und auch später bei diversen Anlässen, spätestens aber auf der Burg von Engelhardt von Weinsberg, als Simon von Hainfeld ihn bewusstlos geschlagen hatte, als es ein Leichtes gewesen wäre, sich Isenharts Nachstellungen ein für alle Mal zu entledigen, warum er diese Gelegenheit hatte verstreichen lassen – stets schüttelte er den Kopf und schwieg. Weigerte sich, auch nur ein weiteres Wort darüber zu verlieren.
    Hennings Namen zu erwähnen war immer mehr zu einem Tabu geworden.
    Unablässig hielt Isenhart den Kontakt mit dem Seil, er spürte die Spannung seiner Muskeln knapp unter der Hautoberfläche. Jeder Zug erinnerte ihn an jene Zeichnung, auf die sie in Tarup gestoßen waren, auf die Skizze von der Funktionsweise des Unterarms. An jene Gefühlsregung in seinem Herzen, die sich dem Hass und der Abscheu selbstbewusst entgegenstellte, nämlich Bedauern. Das Bedauern darüber, diesen Seelenverwandten – da hatte er es schon geahnt – vernichten zu müssen.
    »Vermisst du ihn?«
    Es war ein Wispern am Morgen gewesen. Isenhart lag matt auf dem Lager, es war Sommer und schon taghell. Sie hatten sich geliebt, Sophia und er. Mit dieser Leidenschaft, die schon Anna an Isenhart verwundert hatte. Frisch, gewaltig und sich nach dem Leben verzehrend, so zu küssen, als wisse man um den nahen Tod, so zu lieben, als spüre man bereits die ausgestreckte Hand des Schnitters.
    »Vermisst du ihn?«
    Sanft fuhr sie ihm mit den Zehen dabei über den nackten Bauch, sie schmunzelte über die Linie der Härchen, die vom Bauchnabel nach unten verlief. Sein Herz pochte noch vor Anstrengung, der Brustkorb hob und senkte sich, einen Arm hatte er angewinkelt und seinen Kopf darauf gebettet. Die Haare trug er immer noch kurz und stoppelig. Die frischen Barthaare stachen schwarz aus seinem Gesicht hervor. Sophia schlang die Beine um seinen Rumpf und fuhr ihm mit der Hand über den Kopf. Auch sie verspürte noch die Wärme in ihrem Schoß, in dem er gewesen war. Isenhart wandte sich ihr zu und vergrub sein Gesicht an ihrer Brust. Er tat es nicht um der Lust willen, das spürte sie, sondern um ihr nahe zu sein.
    Sophia wäre am liebsten für immer so liegen geblieben.
    So verharrten sie, bis ein Molkenstehler über die Fensteröffnung zu ihrem Lager fand. Schwarz um den Leib, hellrot in den Flügeln, ein schönes Muster.
    Scheinbar ziellos flatterte der Falter über sie hinweg. Er landete auf Isenharts Hand, der den Blick hob, mit einem Lächeln und Ehrfurcht vor dem, was sich direkt vor ihm abspielte. Nichts Geringeres als das Wunder der Schöpfung. »Was außer einem Gott wäre wohl in der Lage, so etwas Vollkommenes zu erschaffen?«, flüsterte er. Seine Stimme war frei von Spott und Sarkasmus. Ehrliche Nachdenklichkeit lag in seinen Worten.
    Er küsste die Wölbung ihrer linken Brust und schaute zu ihr auf: »Ja, ich vermisse seine Gesellschaft. Diejenige Seite, die staunend Fragen in die Welt wirft. Aber die andere werde ich zur Rechenschaft ziehen.«
    Sophia, die ihre Schläfe auf seinen Kopf gebettet hatte, beugte sich weiter hinab, sodass sie sich in die Augen schauten.
    »Du kannst nicht verstehen, dass ich die Nähe eines Mörders vermisse«, vermutete Isenhart, aber Sophia deutete ein Kopfschütteln an.
    »Ich will, dass er sich für meine Schwester verantworten muss und für die anderen, für Walther. Aber Anna wird es uns nicht zurückbringen. Und du setzt dein Leben aufs Spiel«, antwortete sie mit Sorge in der Stimme.
    Isenhart musterte ihre grünen Augen: »Hast du das geträumt?«
    »Nein«, erwiderte sie schnell.
    »Jemand muss diejenigen vor ihm schützen, die sich selbst nicht schützen können«, stellte Isenhart fest, »und nicht nur vor ihm, sondern auch vor seinen Ideen.«
    »Du willst dich wieder aufmachen?« Sie bemühte sich, ihrer Frage eine unauffällige Beiläufigkeit zu verleihen, während Isenhart Sophias Distanz zu ihren eigenen Worten heraushörte. Die Angst um ihn.
    »Nein«,

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