Isenhart
schlossen sich über den Pupillen. Die verrenkten Hände aber verblieben in ihrer unnatürlichen Haltung. Speichel rann dem Mann Gottes aus dem Mundwinkel.
Aber auch hier wusste Marie Rat, deren Onkel ebenfalls Opfer eines Schlag Gottes geworden war. Indem man die gelähmten Körperpartien mit frisch gerupften Brennnesseln schlug, lösten sich auch dort die Verkrampfungen.
»Ist das wirklich wahr?«, hakte Sophia nach, die Isenharts skeptischen Blick auffing.
»Sonst würde ich nicht dazu raten«, entgegnete Marie eine Spur gereizt.
Also malträtierten sie Vater Hieronymus mit frischen Brennnesseln, sie schlugen sie ihm über die Ober- und Unterarme, über die Handgelenke und Finger und sicherheitshalber auch über die nackten Schultern.
Pünktlich um Mitternacht beendeten sie die Behandlung. Danach, so Marie, wirke die Pflanze nicht mehr, erst wieder ab sechs Uhr in der Früh.
Isenhart war, als müssten ihm die Arme abfallen. Kraftlos ließ er den zerfledderten Strauch Brennnesseln sinken. Arme und Hände des Geistlichen schwollen rot an, die Verkrampfung indes löste sich nicht. Aber ein leises Stöhnen entwich seinem Mund.
»Vielleicht ist etwas in ihn gefahren«, sagte Konrad leise, »ein Dämon.«
Marie warf ihm einen ängstlichen Blick zu.
»Und was für ein Dämon soll das sein?«, fragte Isenhart. Der raue Ton seiner Stimme entsprang seiner Befürchtung, Konrad könnte damit vielleicht sogar recht haben.
Angespannte Stille senkte sich zwischen sie. »Es war ein langer Tag«, ergriff Sophia das Wort, »es hat uns allen einen gehörigen Schrecken eingejagt. Ich glaube, auch Vater Hieronymus tut der Schlaf jetzt gut.«
»Uns allen«, stimmte Konrad seiner Schwester halbherzig zu.
Seitdem wechselten sie sich ab, Hieronymus verbrachte die Nächte entweder bei Konrad und Marie oder bei Isenhart und Sophia. Die Verkrampfungen lösten sich in den darauffolgenden Tagen, alles kehrte wieder – nur der Verstand nicht.
Seinen Namen kannte er wohl, auch den Sophias, Konrad und Isenharts. Aber Marie, nein, er schüttelte den Kopf, nie zuvor war er ihr begegnet, und dann lächelte er und erklärte, es sei eine Freude, die Bekanntschaft der Gemahlin von Konrad von Laurin zu machen. Am nächsten Tag war seine Überraschung wieder dieselbe. Konrad war verheiratet? Das Haus Laurin besaß einen neuen Stammhalter? Sein Name war Sigimund? Welch Freude! Sogleich wollte er ein Dutzend Kerzen entzünden.
»Wir haben keine mehr«, eröffnete Isenhart ihm.
»Keine mehr?« Der gestrenge Blick des Geistlichen traf Isenhart. »Ihr müsst auf Vorräte achten«, rügte er ihn und schüttelte dabei den Kopf, »ohne Kerzen kein Licht. Ts, ts.«
»Ihr habt gestern die letzten Kerzen entzündet«, erinnerte Konrad ihn.
Hieronymus stockte, sein Blick richtete sich auf Konrad, er musterte ihn. »Treib keinen Schabernack mit mir, Konrad. Ah – wer seid Ihr?«
Er hatte Marie wahrgenommen, die hinter Konrad aus der Hütte trat. Sie trug Sigimund.
»Das ist Marie, mein Weib«, erklärte Konrad.
»Dein Weib? Warum weiß ich nichts davon? Und das Kind?«
»Mein Sohn. Er heißt Sigimund.«
»Sigimund – eine treffliche Wahl. Ich werde ihm zu Ehren ein Dutzend Kerzen anzünden.«
»Wir haben keine Kerzen mehr, Vater.«
»Keine Kerzen mehr?«
So drehten die Gespräche sich im Kreise. Glaubten sie, etwas geklärt zu haben, hatte Hieronymus es bereits wieder vergessen, kaum war der letzte Bissen Fisch verzehrt, war ihm nicht mehr bewusst, was er zu sich genommen hatte, ja, mehr noch, er beschuldigte sie, ihm nichts abgeben zu wollen und ihn verhungern zu lassen.
Mitunter verloren sie die Geduld, sie packten seine öligen Finger und rieben sie ihm unter die Nase und fragten, ob er nun wenigstens rieche, dass er eben Fisch in den Händen gehalten habe.
Der schroffe Ton bekümmerte den kranken Mann, wenige Momente später wusste er bereits nicht mehr um die Ursache seiner Verstimmung – sie selbst aber erfasste er, und es bereitete ihm eine unauflösbare Trübsal, den Grund dafür nicht zu kennen. Außerdem fragte er, wieso alle anderen Fisch aßen und er selbst nicht, ob es wohl boshafte Absicht war, ob sie sich abgesprochen hatten und ihn darben lassen wollten.
War das etwa der Dank für seine Erziehung? Für all die Stunden auf der Burg Laurin? Dafür, dass er Konrad das Heiligste mit auf den Weg gegeben hatte, das er besaß, den Heiligen Span vom Kreuz des Erlösers? Jener Span, der Konrad von Laurin als einzigen der
Weitere Kostenlose Bücher