Isenhart
antwortete er daraufhin.
Niemals wieder, dessen war Isenhart gewiss gewesen, würde er sich wieder so aufgehoben fühlen wie bei Sophia. Das Wichtigste, was es auszutauschen gab, kommunizierten sie über Blicke und Gesten, das gröbste Instrument, dessen sie sich bedienten, blieb die Sprache. Langsam, behäbig, missverständlich.
Daran dachte Isenhart, während er Vater, Sohn und die vier Maultiere über den Rhein übersetzte.
»Wir waren drei Jahre auf der Seidenstraße unterwegs«, verriet ihm der Jüngere.
Isenhart merkte auf. »Habt Ihr vielleicht einen Hühnerzüchter getroffen? Sein Name ist Henrick. Es kann sein, dass er sich Henrick von Laurin nennt.«
Der Sohn blickte zum Vater, aber der deutete ein Kopfschütteln an.
»Und Ursel vom kleinen Bachlauf?«
»Nie gehört«, erwiderte der Ältere. Er verschleppte seit geraumer Zeit eine Erkältung, das leise Rasseln seiner Atmung verriet es Isenhart.
Isenhart hatte die Arbeit an dem Nurflügler nicht wieder aufgenommen. Seine Bauteile lagen noch oben in der Tenne und moderten vor sich hin. Denn sein Traum vom Fliegen war untrennbar verbunden mit Henning von der Braake. Für Isenhart wäre die Arbeit an dem Nurflügler gleichbedeutend gewesen mit der täglichen Konfrontation mit dem Mann, der wie ein Gespenst einfach verschwunden war – außer aus seinen Erinnerungen.
So hatte sich Isenhart wie angekündigt in das Leben eines Bauern gefügt. Er bestellte das Feld und fuhr die Ernte ein, er verkaufte die Erzeugnisse auf dem Markt in Spira, wo Konrad weiterhin seinen Dienst als Wachmann versah.
»Ich kann nicht die ganze Zeit hier draußen bleiben«, hatte dieser nur gesagt. Isenhart nickte, er verstand auch so. Konrad brauchte die Betriebsamkeit der Stadt, das Kommen und Gehen, das freundliche Wort eines Kaufmanns oder den messerbewehrten Angriff eines Raufbolds, kurz: die Abwechslung. Den unbestimmten Augenblick. Den Puls des Lebens.
Heiligster erschien ihm eintönig und öd. Für Konrad waren die Tage voneinander nicht oder nur schwerlich zu unterscheiden. Dort, wo Isenhart die kleinen Fluchten aus dem Gleichmaß entdeckte, in denen Heiligster zu einem Erlebnis wurde, zu einem Gewinn, sah Konrad nur den Alltag ohne andere Wachmänner, ohne Würfelspiel, ohne Bier und Zank, ohne fremde Menschen.
Marie weigerte sich, nach Spira zu ziehen. Und aus Konrads allzu schnellem Einlenken vermochten die anderen abzulesen, wie recht ihm dieser Entschluss kam. In Spira ging er seinem Vergnügen nach, und wenn er in Heiligster einkehrte, war er von engelsgleicher Geduld, er war Marie ein guter Mann und Sigimund ein liebevoller Vater.
»Papst Innozenz III . hat den Laien das Lesen der Heiligen Schrift verboten«, erzählte der Ältere der Reisenden auf Isenharts Floß.
»Ich habe davon gehört«, gab Isenhart mit absichtlicher Unbestimmtheit zurück.
»Der Heilige Stuhl hat sogar Söldner nach Metz und Strasbourg geschickt, um die Bibelübersetzungen ins Feuer zu schicken.«
Sein Sohn, wie Isenhart vermutete, nickte: »Sie haben in mehreren Städten die übersetzten Bibeln auf dem Marktplatz aufgeschichtet und verbrannt.«
»Und gesagt«, fügte sein Vater hinzu, »dass in Zukunft ein jeder brennen wird, der die Schrift liest und kein Geistlicher ist.«
»Dabei können wir gar nicht lesen«, sagte der Jüngere. Er und sein Vater grinsten schief.
Isenhart nickte unwillkürlich. Das Verbrennen der Bücher aufdem Marktplatz zu Metz – verwechsle nie Ursache und Wirkung, wie Walther gesagt hatte – richtete sich nicht in erster Linie gegen die Laien, die in der Heiligen Schrift lesen wollten, nein, der Heilige Stuhl verbot Gott die Stimme. Innozenz III . gebot dem Schöpfer zu schweigen.
Wieder rann Vater Hieronymus etwas Speichel über das Kinn, ein Faden aus Spucke wehte im Wind. Isenhart umfasste den eigenen Ärmel mit der Hand und wischte ihn ab.
Es war Zeit, sich des Stakens zu bedienen. Isenhart ließ das Seil los und griff die hölzerne Stange, stieß sie auf den Grund des Flusses und schwenkte das Floß zum Ufer.
»Klug von Euch, diese Furt hier zu nutzen«, lobte ihn der Ältere. Er lächelte ein wenig und bot Isenhart ein paar grauschwarze Zahnstümpfe dar. Er musste Höllenqualen leiden.
»Habt Ihr Zahnschmerzen?«, erkundigte sich Isenhart.
»Unerträglich.«
»Ich kann sie Euch ziehen.«
»Mein Vater fürchtet«, wandte der Jüngere ein, »sein Schlag bei den Weibern wird dadurch einbüßen.«
Der Alte nickte.
»Seit wann betreibt
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