Isenhart
ihr Euer Fährgeschäft?«, fragte der Sohn.
»Seit fast vier Jahren«, antwortete Isenhart.
»Und lohnt es?«, wollte der Vater wissen.
Genau das hatte auch Sophia wissen wollen. Eine weitere Fähre über den Rhein? Wozu? Diejenigen, die Simon Rubinstein aus seinen lukrativen Fährgeschäften gedrängt hatten, würden nicht sonderlich erfreut sein.
»Die Händler müssen sich nicht bis Spira durchschlagen, wenn sie aus dem Süden oder dem Osten kommen«, erklärte Isenhart seiner Gemahlin, »sie können hier übersetzen, der Rhein läuft in eine Biegung, die Strömung bricht sich und die Wassertiefe ist gering. Hier ist es ideal. Und ich muss nicht mehr Wachmann sein und kann euch beschützen.«
Das leuchtete allen ein. Isenhart würde ebenso viel und vielleicht sogar mehr verdienen, wenn er in Heiligster seinen Dienst als Fährmann versah statt als Wachmann in Spira.
Und die Frauen und ihre Kinder, Sigimund und Lilian, waren nichtschutzlos Räubern, Wölfen oder trunkenem Pöbel ausgesetzt, wenn ein Mann zugegen war. Isenhart war kein Ritter, kein Streiter, kein Brabanzone. Aber er war im Gegensatz zu dem gebrechlicher werdenden Hieronymus in der Lage, den Bolzen der Armbrust auf seine todbringende Bahn zu schicken. Und zwar mit einer Treffsicherheit, die im Raum Spira ihresgleichen suchte. Er erlegte einen Hasen auf siebzig Fuß. Was einen Angreifer tötete, schreckte drei weitere ab.
»Ist das alles?«, hatte Sophia einmal gefragt. Sie kam mit frischem Wasser vom Kanal zurück und stoppte neben Isenhart, der die Seitenstämme des Floßes mit dem Öl imprägnierte, das er Bucheckern abgepresst hatte. Isenhart wischte sich den Schweiß von der Stirn und blinzelte gegen die Sonne. Dazu setzte er ein harmloses Lächeln auf: »Alles? Was meinst du?«
Ihr Mann mochte ein schlauer Kerl sein, aber er konnte sich nicht verstellen. »Du baust dieses Floß, als könntest du damit fliegen«, sagte Sophia, »Tag und Nacht arbeitest du und schleifst und besserst es aus.«
»Damit es nicht untergeht.«
Sophia nickte. Dann ging sie in die Hocke, um mit Isenhart auf Augenhöhe zu sein. Ihre grünen Pupillen ruhten dabei in den seinen, sie gewährten Isenhart keine Ausflucht.
»So kann ich das verdienen, was die Ernte nicht einfährt«, fügte er etwas hilflos hinzu.
Sophia nickte. Sie glaubte ihm kein Wort, sie wusste, er nahm Rücksicht. Auf ihre Schwangerschaft, auf Lilian, seine Tochter, die sie ihm gebären würde. Sie bohrte nicht weiter nach. Aber insgeheim, das wusste sie, war ihr Mann immer noch auf der Jagd.
Als er seinen Fährbetrieb aufnahm, hielt er die Augen und Ohren offen, wenn er Passagiere an Bord ließ und glaubte, Sophia würde nicht davon erfahren.
»Ich suche zwei Männer«, wisperte er, »Henning von der Braake und Simon von Hainfeld – habt Ihr von Ihnen gehört?«
»Von der Braake?«
»Ja, genau.«
»Nein, nie gehört. Was hat er Euch angetan?«
»Er hat fünf Menschen ermordet.«
Isenhart ging es nicht um das Geld und auch nicht um die Abwechslung, die der Plausch mit den Kaufleuten und Händlern brachte. Isenhart wartete ab. Er wartete, um die Witterung wieder aufnehmen zu können. Wie eine Spinne spannte er sein Netz, setzte Reimar von Vogt und Engelhard von Weinsberg in Kenntnis, auch ein paar Wachleute in Spira sowie einige frühere Freunde von Simon Rubinstein. Faden um Faden verknüpfte er miteinander. Das Netz war bereit, und selbst die kleinste Erschütterung eines seiner Fäden würde zu seinem Zentrum vorgetragen werden.
Henning oder auch seine rechte Hand Simon von Hainfeld mussten überhaupt nicht selbst durch die Gegend ziehen – so unvorsichtig wäre Henning auch kaum gewesen –, das Netz filterte die Neuigkeiten all jener, deren Wege über Spira führten. Sie kamen aus allen Himmelsrichtungen, erzählten von ihren Reisen, tauschten sich aus und gaben ihre Informationen, ohne es zu wissen, an Isenhart weiter.
Die Befragung jener, die bei Heiligster über den Rhein übersetzten, nahm er selbst vor.
Mit Reimar von Vogt hatte er sich oben in den Schatten der Trauerweide gesetzt, sie kauten Bärlauch. Der Adlige willigte nur zu freudig in den Handel ein, den Isenhart ihm anbot. Er tauschte Heiligster gegen Tutenhoven. »Unter drei Bedingungen«, wie er sagte.
»Als da wären?«, fragte Reimar von Vogt.
»Alle Bediensteten behalten ihre Anstellung – auf Lebenszeit gilt das für Cecilia und Zolner.«
Reimar von Vogt nickte, er war ein vernünftiger Mann.
»Ein
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