Isenhart
reichte es, sie zu betrachten. Als er bemerkte, wie aus dem Betrachten ein Starren wurde, räusperte er sich und lobte sie wegen ihrer Kaltblütigkeit – die man ihr gar nicht zutrauen würde, wie er mit ungewöhnlich sanfter Stimme hinzufügte.
»Biz kommt«, unterrichtete Sophia sie. Wie besprochen hatte dieser Henning noch in ein kurzes Gespräch verwickelt, um ihn daran zu hindern, Lugardis’ Fährte sofort aufzunehmen, falls ihm danach der Sinn stehen sollte.
Isenhart warf einen Blick durch den Spalt. Henning und Simon kehrten in die Schenke des Zimmermanns zurück. Die Tür schlug hinter ihnen zu, dann war es, als hätte ihm lediglich seine Einbildungskraft einen Streich gespielt und Henning von der Braake und Simon von Hainfeld mitten in Haslach aus dem Hut gezaubert – und nun wieder verschwinden lassen.
Wie von Isenhart gewünscht, hatten Biz und Henning sich zur Non vor der Werkstatt des Zimmermanns verabredet, um den Handel perfekt zu machen.
Bis dahin war noch eine knappe Stunde Zeit. Biz musste sich auf den Weg zum Stift machen, wo er die Ladung mit dem Harz aufbewahrte. Lugardis sollte Isenhart nicht von der Seite weichen.
Die Äbtissin hatte ihm am frühen Morgen ihren Segen gegeben.
»Lugardis geschieht nichts«, stellte sie fest und schaute ihm dabei in die Augen. Dunkle Augen, umrandet von langen Wimpern, die ihrem Blick nicht wichen.
»Nichts«, bestätigte er.
»Und Ihr steht mit Eurem Leben dafür ein«, fügte Clementia die Frage in Form einer weiteren Feststellung hinzu.
»So ist es«, versicherte er ihr.
Die Äbtissin sah zu Lugardis, stieß dann einen Seufzer aus und richtete den Blick erneut auf den schmalen Fremden.
»Ich nehme Euch beim Wort, Isenhart von Laurin. Lugardis’ Leben gegen das Eure«, ließ sie ihn wissen.
»Nur zu diesem Zweck gebe ich Euch mein Wort«, entgegnete Isenhart ruhig.
»Meines habt Ihr auch«, fügte Konrad schnell hinzu, als er bemerkte, wie beeindruckt Lugardis von Isenharts Versprechen war. Die ihm daraufhin ein flüchtiges Lächeln zugeworfen hatte. Was wiederum Konrad bis zum Mittag hatte schwärmen lassen.
»Du«, sagte Isenhart nun in der Scheune zu ihm, »bist der letzte Punkt, den Lugardis passiert. Nach dir gibt es nur noch den Pfad zum Stift. An dir darf er nicht vorbei.«
»Das wird er nicht«, sagte Konrad mit geschwellter Brust, »eher würde eine Kröte einen Biber erlegen und eine Stromschnelle zu Eis werden und eine Schlange …«
»Ja, schon gut«, unterbrach seine Schwester ihn ungeduldig, »lass ihn einfach nicht vorbei.«
Sophia fragte sich, wie es Herrscherhäusern und ganzen Dynastien gelungen war, trotz ihrer männlichen Köpfe und deren Stammhaltern, denen ein paar Rundungen und ein koketter Augenaufschlag genügten, um sich den gesunden Menschenverstand zerbröseln zu lassen, Jahrzehnte und manchmal gar Jahrhunderte zu überdauern.
Isenhart wandte sich an Lugardis: »Sophia bleibt hier in der Scheune. Falls du dich hier bedroht fühlst, ruf sie um Hilfe. Vermutlich wird das aber nicht der Fall sein, er wird sich dir hier nicht nähern wollen. Nicht mitten in Haslach.«
Lugardis nickte mit aufmerksamer Miene. Der größte Bewunderer ihres Mutes stand dabei direkt neben ihr und konnte sich nur schwerlich an ihr sattsehen.
»Ich selbst werde mich oben auf dem Dach befinden und warten«, fuhr Isenhart fort. »Dann folge ich dir und kann jederzeit eingreifen. Auch, wenn du mich nicht siehst – ich bin bei dir. Ein Ruf genügt, und er wird überwältigt.«
Isenhart drehte sich zu Biz um: »Während Biz Simon von Hainfeld folgt.«
Der Händler nickte. Was auch immer Simon von Hainfeld unternehmen sollte, Gott würde ein Auge auf ihn haben. Immerhin handelte es sich hier nicht um einen Tunichtgut, der irgendwo einen Apfel stibitzt oder einem hohen Herrn etwas Unflätiges nachgerufen hatte. Henning von der Braake war ein fünffacher Mörder undsein Begleiter von Hainfeld mit Sicherheit auch kein Unschuldslamm.
Der Obolus, den er bereits jetzt von Isenhart erhalten hatte, würde durch die Zahlung von der Braakes für die Ladung Harz verdoppelt werden. Zumal das Harz, wenn er sich beeilte, nach der Festnahme des Mörders an einem anderen Ort ein zweites Mal seinen Preis wert war.
Daher würde er natürlich gar keine Zeit und auch gar kein Interesse haben, sich um Simon von Hainfeld zu kümmern, wie er langsam begriff. Immerhin war er Händler, ein Kaufmann, es wäre sub omni canone gewesen, sich nicht um seinen
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