Isenhart
nach Tang rochen, nach Salz, Teer und betörenden Gewürzen.
»Habt Ihr das Harz?«
Biz fuhr erschrocken herum. Vor ihm stand Henning von der Braake. Vor neugierigen Blicken geschützt durch eine Kukulle, einen Überwurf mit breiten Ärmeln und einer Kapuze, wie die Mönche sie zu besonderen Anlässen trugen oder im Winter. Schräg hinter ihm, nur ein paar Fuß entfernt, die wuchtige Gestalt Simon von Hainfelds.
Die Kirchenglocke ertönte, noch eine Stunde bis zur Non. Sie hatten als Treffpunkt die Schenke vereinbart, die aus dem Nebenraum der Werkstatt des Zimmermanns bestand, dessen Frau dort selbst gebrautes Bier ausschenkte. Und für die wenigen Kaufleute, die erst so spät in Haslach eintrafen, dass eine Weiterreise sie unweigerlich in die Nacht geführt hätte, gab es auch ein Lager neben den Schweinen.
Biz hatte den Weg im Blick gehabt, Henning von der Braake aber war von hinten an ihn herangetreten – er musste mit seinem Begleiter in der Schenke gewartet haben.
»Ich – es gab ein paar Schwierigkeiten. Wie Ihr vielleicht wisst, hat Joseph von Vöhingen die Wege im Norden und Westen besetzt. Ich bin zuversichtlich, dass wir in ein, zwei Stunden das Harz hierhergeschafft haben.«
Die Augen von der Braakes wurden schmal, Biz konnte ihm ansehen, wie in seinem Kopf das Für und Wider abgewogen wurde.
»Meine Zeit ist begrenzt«, sagte er mit einem etwas vorwurfsvollen Unterton, nur ganz leicht, denn die Begründung des Händlers war nur allzu verständlich. Eigentlich wollte er noch etwas hinzufügen, aber in diesem Augenblick trat Lugardis an Biz heran, nickte Henning freundlich zu, allerdings nicht zu überschwänglich, eben das rechte Maß, das die Höflichkeit erforderte.
Isenhart, Sophia und Henning hielten den Atem an. Sie hatten sich in einer Scheune versteckt, die sich rund sechzig Fuß entfernt befand. Reglos starrten sie durch die Ritzen der Holzwand und lauschten angestrengt.
Ja, es war Henning höchstpersönlich, der sich hier in Haslach eingefunden hatte, der das linke Bein ein wenig nachzog und nun die Mönchstracht trug, um sich zu tarnen. Ein Detail, das Biz, derein wenig phlegmatisch wirkte, zu berichten vergessen hatte, sich aber nun einfügte und Isenharts Plan den letzten Schliff verlieh.
Dieser hatte sich auf der Reise hierher fast ununterbrochen gefragt, was er beim Wiedersehen wohl empfinden würde. Zorn? Mitleid? Die Antwort war: nichts. Er fühlte nichts, er sah nur einen fünffachen Mörder, und sein Herz, das immer schneller schlug, pochte, weil er hoffte, Henning würde in die Falle tappen. Und er hoffte, Lugardis möge trotz ihrer Jugend und der Angst, die sie ganz gewiss empfand, nicht aus der Rolle fallen.
»Ich heiße Lugardis. Die Äbtissin schickt mich, die Kräuter zu holen – wenn Ihr Biz, der Händler, seid.«
»Das bin ich in der Tat, schönes Kind«, antwortete Biz und konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, was der Szene, die sie heute am frühen Morgen unter Isenharts wachsamen Augen wieder und wieder geübt hatten, die notwendige Glaubhaftigkeit verlieh. Der junge von der Braake konnte Biz die Gedanken, die er zweifelsohne hegte, nicht verdenken.
Während der Händler der Novizin erklärte, was Henning schon wusste – die Gründe für die Verzögerung der Lieferung –, konnte dieser Zeit gewinnen. Er hatte nicht vor, sich allzu lange in Haslach aufzuhalten. Doch dieses Mädchen, das mit ihrem lieblichen Gesicht nicht nur dem Händler den Atem zu verschlagen schien, ließ ihn wankelmütig werden. Etwas Reineres war ihm noch nie begegnet. Außerdem hatte sich das Harz, das Biz ihm letztes Mal offeriert hatte, besser als das anderer Händler für seine Zwecke geeignet. »Ich warte«, ließ er Biz wissen, der soeben auch Lugardis vertröstet hatte. Und die ihm ein freundliches Lächeln schenkte. »Ich auch, Bruder«, sagte sie und wandte sich ab.
Henning von der Braake konnte sein Glück kaum fassen. Oder war es Vorsehung gewesen, die ihn zur Kukulle statt zum Wams hatte greifen lassen?
Ich auch, Bruder.
Ganz instinktiv hatte sie Vertrauen zu ihm gefasst. Lugardis.
Isenhart lobte sie, als sie die Scheune erreicht hatte.
Lugardis zitterte am ganzen Körper. »Er sieht nicht aus wie ein Mörder«, stellte sie fest.
Sophia fragte sich, während sie Biz und Henning von der Braake durch einen Spalt zwischen zwei Holzlatten beobachtete, welche Vorstellung Lugardis von einem Mörder hatte.
Konrad indessen war dies recht gleichgültig, ihm
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