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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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Männern, Kindern, Maulesen und Ochsen, durch das Blattwerk von Bäumen und Sträuchern sehen. Die Frau nahm ihre Tochter wieder an sich, dankte ihnen und setzte ihren Weg fort.
    »Glaubst du, von Vöhingen verschont das Stift?«
    Isenhart nickte, er atmete tief durch. Den Vormarsch von Vöhingens, die Verteidigungslinie, die Erik von Owenbühl am Kirbach und der Haselahe in diesem Moment wohl bildete, all das schob er beiseite. »Der Mordversuch muss bezeugt werden«, erinnerte er Konrad daher, »wir haben nichts gegen ihn in der Hand. Erst, wenn er Lugardis angreift, können wir es bezeugen.«
    Konrad von Laurin blinzelte unruhig. »Das ist nicht ungefährlich.«
    »Ich weiß.«
    »Aber du hast dein Wort gegeben.«
    »Ja«, seufzte Isenhart, »hab ich.«
    Konrad fuhr sich mit der Hand über das unrasierte Kinn. Die Gefahr, in die Lugardis – gerade dieses Geschöpf – sich zu begeben hatte, rief ein Unwohlsein bei ihm hervor. »Was ist, wenn sie umkommt?«
    »Das darf nicht sein«, stellte Isenhart mit verkniffener Miene fest, »bis zu diesem Punkt hier bin ich in ihrer Nähe. Aber du bist der bessere Kämpfer, ab hier liegt ihr Leben in deiner Hand. Du musst rechtzeitig zur Stelle sein – aber keinesfalls zu früh.«
    Konrad warf Isenhart einen forschenden Blick zu. Der Freund wusste nur zu gut, dass sein Plan nicht vollkommen war. Lugardis könnte nicht nur in Gefahr geraten, nein, sie sollte. Das war der Sinn ihrer Unternehmung.
    Konrad schüttelte unvermittelt den Kopf. »Das kannst du nicht machen«, betonte er, »ich kann dein Köder sein. Aber nicht Lugardis. Was ist, wenn ihr ernstlich etwas zustößt?«
    »Ich weigere mich, daran zu denken«, entgegnete Isenhart.
    All die Jahre über hatte Konrad stets Hochachtung vor seinem Freund empfunden, der einst ein Knecht und Leibeigener gewesen war, und der sich nun zum Herrn über Heiligster und zu seinem Schwager gemausert hatte. Dieser unverbrüchliche Glaube in die Richtigkeit von Isenharts Handeln war in ihrer Kindheit begründet und in der Jugendzeit geformt worden. Und ganz gleich, womit auch immer sie konfrontiert worden waren, im Nachhinein hatten sich Isenharts Entscheidungen und Vermutungen, seine Haltungen und Gedanken stets als richtig erwiesen.
    Konrad hatte gelernt, blind auf die Worte seines Freundes zu vertrauen. Und er empfand diesen Moment am Rande Haslachs als den passendsten, um ihm das mitzuteilen. »Wie du vielleicht bemerkt hast, hast du immer mein volles Vertrauen gehabt.«
    »Ja, ich weiß, und hin und wieder …«
    »Aber dieses Mal ist es ein Fehler«, unterbrach Konrad ihn, »wenn du bereit bist, Lugardis’ Tod in Kauf zu nehmen, bist du um keine Stufe erhabener als Henning von der Braake.«
    Sie kannten sich zu lange, als dass Isenhart ihm etwas hätte vormachen können. Konrad spürte ganz genau, wenn Isenhart in seinem Innersten getroffen wurde. Er hatte dann die Angewohnheit, die Arme hängen zu lassen, die offenen Handflächen leicht nach vorne zu richten und das Kinn zu recken, aber ohne Hochmut im Blick. So wie jetzt.
    »Da ist ein Unterschied«, erwiderte Isenhart mit schneidender Stimme, »Henning tötet, und ich versuche, Leben zu schützen.«
    »Henning tötet, und du tust es nicht, das stimmt. Du legst nicht selbst Hand an, du nimmst nur in Kauf, dass jemand ermordet wird. Ist das frei von Schuld?«
    Isenhart blies die Wangen auf. »Gut. Lassen wir das. Wir bringen Sophia und Lugardis jetzt ins Stift und geben Biz Bescheid, dass wir uns morgen auf den Rückweg machen. Und dann? Was wird passieren?« Er trat dicht an Konrad heran, der seinen Atem am Kinn – der Schöpfer hatte Isenhart ein wenig kleiner ausfallen lassen – spüren konnte: »Du weißt, dass er wieder töten wird. Wieder und wieder. Er nimmt einem anderen Vater die Tochter und einem anderen Bruder die Schwester. Und du willst ihn daran nicht hindern – ist das frei von Schuld?«
    Konrad hasste es, wenn Isenhart so etwas tat. Wenn er ihm einfach das Wort im Mund herumdrehte und diesen vorwurfsvollen Gesichtsausdruck aufsetzte, der ihm, Konrad, bedeutete, wieder einen Fehler begangen zu haben. So wie jetzt.
    »Aber angenommen«, unternahm Konrad von Laurin einen verzweifelten Versuch, »ich wäre ihm nie begegnet und wüsste auch gar nicht, dass Henning ein …«
    »Du bist ihm aber begegnet«, unterbrach ihn sein Freund, »und damit sind alle Spekulationen nichts weiter als ein Konjunktiv, ein nicht gewesenes Etwas, über das man keine Gedanken

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