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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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gegen einen Mann namens Joseph von Vöhingen zu verteidigen suchte. Von Vöhingen glaubte – tatsächlich oder behauptet –, Anspruch auf Haslach und das halbe Kirbachtal zu besitzen. Er fühlte sich in der Erbfolge übergangen, Erik von Owenbühl hatte daher die Diözese zu Spira um Vermittlung oder Schlichtung ersucht. So geschehen im März 1201.
    Doch der Bischof von Henneberg, mit dem Isenhart bereits unliebsame Bekanntschaft gemacht hatte, hüllte sich in Schweigen. Joseph von Vöhingen besetzte daraufhin eine Anhöhe nördlich Haslachs und brandschatzte zwei Gehöfte, sodass Erik von Owenbühl ebenfalls nicht mehr auf den Spruch des Bischofs warten wollte. Er entschloss sich zu kämpfen – weswegen er des Nachts zum Stift vordrang.
    »Ich bin sicher, Joseph von Vöhingen – seine Seele möge im Fegefeuer brennen – hat Späher nach Haslach ausgesandt. Und sollten die bemerken, dass wir die Ortschaft wehrfähiger machen, wird er angreifen.«
    »Das könnte er auch jetzt«, warf Konrad ein.
    Von Owenbühl schüttelte den Kopf: »Dann hätte er das längst. Nein, er wartet auf Verstärkung.«
    »Und wer sollte ihm die gewähren?«, fragte Isenhart.
    Erik von Owenbühl sah ihm in die Augen: »Die Münze. Jemand unterstützt ihn mit Silber.«
    »Für Soldritter«, vermutete Konrad.
    Erik von Owenbühl nickte.
    Sie saßen vor den Grundfesten des Stifts draußen bei ihren Pferden. Die Mehrheit der Männer, die von Owenbühl mit sich geführt hatte, schlief. Es waren vielleicht zwei Dutzend, vier von ihnen hatte der Graf zur Wache eingeteilt.
    Kurz wurde es still.
    »Und Ihr?«, fragte Erik von Owenbühl.
    »Wir suchen jemanden«, antwortet Konrad.
    »Jemanden, mit dem wir einen Handel schließen wollen«, kam Isenhart weiteren Auskünften zuvor, »dann machen wir uns wieder auf den Weg.«
    »Wie es aussieht, solltet Ihr Euch sputen. Morgen Nacht, spätestens übermorgen, färbt der Kirbach sich rot.«
    Biz trat von einem Fuß auf den anderen. Er stand auf der staubigen Hauptstraße Haslachs, die nicht mehr war als ein Feldweg, der die armseligen Hütten miteinander verband. Ein paar Hühner liefen an ihm vorbei, dann kamen zwei Mädchen, die Wäsche zum Kirbach trugen und ihm keck zugrinsten.
    Unter anderen Umständen wäre er zum Fluss gegangen und hätte gesehen, was sich machen ließ. Für gewöhnlich waren die Töchter in so einem abgelegenen Ort unglaublich beschränkt. Entweder weil sie Produkt der Inzucht waren – die erkannte man am trüben Blick – oder weil sie wie ihre Eltern und Brüder auch aus einer Linie Zurückgebliebener stammten, von denen das Leben nie mehr forderte, als eine Scholle Erde zu wenden oder zwei Feuersteine aneinanderzureiben. Für gewöhnlich waren sie auch noch so dumm zu glauben, ein Kuss könnte sie schwängern. Nun ja, dachte Biz, man musste sie dabei ja nicht küssen.
    Heute aber war alles anders. Der ganze Ort befand sich in heller Aufregung. Kinder liefen umher und flüsterten ihren älteren Geschwistern oder Eltern etwas zu. Sie deuteten dabei nach unten – ins Tal. Dort, wo der Kirbach sich durch die Landschaft wand. Ein Bauer zog vorbei, er trieb zwei Schafe und drei Ziegen vor sich her – nur fort von hier. Seine Frau, eine Gestalt mit einem Buckel und einem Leinensack voller Habseligkeiten, von denen lediglich der Stiel einer Pfanne herauslugte, folgte.
    Ja, dachte sich Biz, alles war in Bewegung. Das, was sich hier verwurzelt hatte in der Hoffnung auf Land, Frieden, einen vollen Bauch und ein klein wenig Glück, dieses Etwas entpuppte sich als Flachwurzler. Einige Worte vom Hörensagen, die Erzählung über einen Berittenen mit Kettenhemd, der auf leisen Sohlen durchs Unterholz gestapft sei, ein paar Ausbesserungen, die an der Furt vorgenommen worden waren, um sie enger zu gestalten – weniger zugänglich für Angreifer –, reichten aus für eine kleine Welle, die diese Pflanze von ihrer frisch gewählten Stelle schwemmte. Sie einfach davontrug, als habe nie der Wunsch bestanden, hier zu verweilen.
    Biz war verwundert darüber, wie viel es benötigte, um jemanden anzusiedeln, und wie viel weniger es brauchte, um ihn wieder zu verjagen.
    Er selbst hatte sehr früh seine Heimat ausgemacht. Dort, wo eine Marge winkte, war er zu Hause. Also auf den Handelsplätzen dieses Kontinents. Er liebte die Märkte und die Häfen mit den Schiffen und den fremden Gütern darauf, mit Männern, die von merkwürdigen Gebräuchen aus fremden Ländern erzählten und die

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