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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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dass ihr Ruf nicht ungehört verhallt war und er sich auf den Weg machen würde, sie mit seinem Floß abzuholen.
    Konrad, der ein Auge auf die beiden Leinen hatte, die in die leicht bewegte Oberfläche des Rheins eintauchten und deren ruckhafte Bewegung ein reichliches Mittagessen ankündigen würden, blieb nicht verborgen, welch Metamorphose das Läuten der Glocke bei Isenhart auslöste. Was auch immer Isenhart gerade tat, sich mit Sophia unterhalten etwa, Lilian baden oder Steine im Kanal schichten, sobald das Läuten ertönte und über den Rhein schallte, ließ er alles stehen und liegen. Kein Gespräch, keine Tätigkeit, kein Vorhaben, das er nicht umgehend fahren ließ.
    »Ich muss«, sagte er für gewöhnlich entschuldigend und federte hoch. Seine Augen glitten über den Fluss und zu dessen gegenüberliegendem Ufer. Mit der rechten Hand versicherte er sich seines Schwertes, das er bei den Überfahrten mit sich führte.
    Und ein jedes Mal hoffte er inständig auf das Eintreffen des Unmöglichen: dass Henning von der Braake die Glocke am anderen Ufer betätigt hatte. Es war nicht der Wahn, der von ihm Besitz ergriffen hatte, sondern eine Besessenheit: Irgendwann einmal würde es Henning von der Braake sein, der den Klöppel gegen die Innenwand der kleinen Glocke schlug.
    Drei Jahre lang, im Sommer wie im Winter, bei Regen, Sturm und Sonnenschein, setzte er über, um ihn endlich abzuholen. Vergebens natürlich, denn Henning hatte den Übergang gemieden, wie er alles gemieden hatte, was mit Isenhart oder Heiligster in Verbindung stand.
    Diese Gedanken und Bilder ließ Konrad von Laurin vor seinem inneren Auge vorbeiziehen, während er Isenhart unter der Buche gegenüberstand. »Ich weiß«, antwortete er daher freundlich und nahm erleichtert wahr, wie Entspannung durch Isenharts Glieder fuhr, »und du bist nicht alleine. Ich will ihn auch endlich gestellt wissen.«
    Biz freute sich über die drei Schillinge und zwanzig Silberpfennige, die Henning von der Braake ihm für die Fuhre Harz überließ, und er nahm ihm noch einmal vier Schillinge für den Karren und das Maultier ab, das vor das Gefährt gespannt war. All das in dem Wissen, dass dieser Kerl mit den wachen Augen bald vor seine irdischen Richter geführt werden würde und er, Biz, Harz und Karren anderswo verkaufen und so den doppelten Preis erzielen würde. Innerlich jubilierte er und ließ sich auch von dem düsteren Blick des Begleiters nicht verstimmen.
    Der Hüne packte das Maultier mit erstaunlich sanftem Griff und führte es zur Tränke.
    »Wollt Ihr nicht wissen, wozu ich so viel Harz benötige?«, fragte Henning von der Braake, der immer noch die Kukulle trug. In diesem Augenblick galoppierten zwei Männer mit Schilden und Schwertern an ihnen vorbei, und unten, wo die Straße einen Bogenbeschrieb, trugen sie die ersten Sterbenden und Verletzten zurück ins Dorf.
    Henning warf einen verbitterten Blick hinab. Einige von ihnen hätte er retten können. Einige von ihnen waren geschaffen, um noch dreißig, auch vierzig Jahre über Gottes Erde zu wandeln. Doch hätten seine lebensrettenden Maßnahmen ihn als Ketzer der schlimmsten Sorte verraten. So musste er dem Tod, der gerade frisch nach Haslach getragen wurde, freies Geleit gewähren, obschon er in der Lage gewesen wäre, ihm diesen oder jenen abzutrotzen.
    »Nein«, erwiderte Biz, der schon sah, wie Lugardis um die Ecke bog und Kurs auf sie nahm, »ich habe kein Interesse zu erfahren, wozu Ihr das Harz verwendet.«
    »Euch interessiert nur Euer Profit«, merkte eine Stimme hinter ihm an. Sie war tief und dunkel. Schwer.
    »Euer Begleiter kann sprechen«, sagte Biz zu Henning.
    Henning kam nicht umhin, trotz der Beleidigung zu schmunzeln. Er sah hinüber zu Simon von Hainfeld, der erwartungsgemäß keine Miene verzog. Der holprige Humor eines fahrenden Händlers stieß bei ihm auf keine Gegenliebe, Kaufleute waren ihm suspekt. Von Hainfelds Geist war in anderen Kategorien zu Hause. Wer und wann, das galt es zu wissen, und natürlich: wie viele. Zu viele Gedanken riefen verwirrende Situationen hervor, und wenn Simon von Hainfeld etwas hasste, dann war es der Verlust der Kontrolle.
    »An Eurer Stelle würde ich bald das Weite suchen«, gab Biz ihnen mit auf den Weg, »wer weiß, wie lange Erik von Owenbühl von Vöhingen noch aufhalten kann.«
    Henning lächelte. »Wenn Ihr an meiner Stelle wärt, würdet Ihr einen Mann sehen, der sich alsbald für seine Sünden verantworten muss.« Ohne eine Erwiderung

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