Isenhart
abzuwarten, wandte er sich ab. Zusammen mit Simon von Hainfeld wendete er den Karren und schob ihn und seine Ladung unter ein Vordach, wo von Hainfeld das Maultier mit einem Seil am Pflock festband, bevor er seinem Herrn in die Schenke folgte.
Isenhart lag flach auf dem Dach der Scheune und beobachtete von hier aus, was sich vor der Schenke zutrug. Weiter hinten bog Lugardis um eine Häuserecke und nahm Kurs auf den Händler. Sie erinnerte Isenhart ein klein wenig an Agnes von Weinsberg, es war der behutsame, weiche Gang.
Als Engelhardt II . von Weinsberg ihm in Heiligster den Aufenthaltsort Hennings genannt hatte, wäre er gerne um die Frage herumgekommen, die ihm sofort in den Sinn kam, aber die Höflichkeit gebot es, sie zu stellen – ganz gleich, wie erschütternd die Antwort ausfallen mochte. »Wie ist es Eurer Tochter ergangen?«
Während er diese Worte an den Fürsten richtete, erschienen vor seinem inneren Auge die Bilder von Exorzisten, die der Heilige Stuhl nach Weinsberg entsandt hatte und die Agnes mit Kneifzangen und glühenden Widerhaken zu Leibe rückten, um die Dämonen das Fürchten zu lehren. Psalme wispernd und die Güte des Herrn preisend würden sie ihr ein Martyrium bereiten und sie bestialischer Folter aussetzen, um ihren kranken Geist zu heilen.
Und die junge Fürstentochter müsste sich fragen, in welchem Schädel der kranke Geist sich eigentlich eingenistet hatte, in dem ihren oder in dem ihrer Peiniger.
Engelhardt räusperte sich kurz, bevor er lächelte. »Ich habe Euren Rat befolgt. Sie lebt in der Obhut eines Stammes weit im Osten, wo die Menschen verengte Augen haben. Dort glauben sie, dass die Krankheit meiner Tochter der Kuss Gottes ist. Sie verehren sie und lesen ihr jeden Wunsch von den Augen ab.«
Daran musste Isenhart denken, während er auf dem Scheunendach in Haslach kauerte.
Wie vereinbart trat Lugardis jetzt an Biz heran, gab ihm, um den Schein zu wahren, ein paar Münzen für die Heilkräuter, die er ihr im Austausch dafür überließ.
Isenhart hielt unwillkürlich den Atem an, als Biz den Schauplatz verließ. Lugardis wartete noch einen kleinen Augenblick lang ab, sie holte ein paarmal Luft. Sie kannte Isenharts Position, aber sie unternahm nicht den Versuch, einen Blickkontakt mit ihm herzustellen, denn mit Sicherheit beobachtete Henning von der Braake sie.
Lugardis wandte sich nach Norden – zur Scheune, in deren Verlängerung sich das Stift befand.
Jetzt galt es.
Isenhart lag bereits flach auf dem Holzdach der Scheune, in derSophia nur wenige Fuß unter ihm durch einen Spalt in der Holzwand ebenfalls Lugardis’ Schritte verfolgte, unternahm aber dennoch den Versuch, sich noch dichter an das Dach zu schmiegen.
Lugardis erreichte indessen eine Kreuzung. Rechts von ihr wartete die kleine Schar, die Erik von Owenbühl dorthin dirigiert hatte. Die Männer hatten sich bereit gemacht, waren verwachsen mit einem Heuschober und einer Mauer, sie lauschten auf den Feind, der vom Fluss hochstoßen und vielleicht genau hier seinen Vorteil suchen würde.
Isenhart hatte Lugardis eingebläut, auf gar keinen Fall einen Blick zurückzuwerfen. Alles, was sie tat, sollte dem Eindruck, den sie unzweifelhaft bei Henning hinterlassen hatte, keinen Abbruch tun.
Die Novizin wandte sich nach links, so war es abgesprochen, sie begab sich auf jenen Trampelpfad, den kurz zuvor auch Konrad und er beschritten hatten. Der Pfad zum Stift. Der Pfad, an dem Konrad sich versteckte.
Isenharts Blick flog hinüber zur Schenke, an der sich nichts regte. Nur der Kampfeslärm walzte vom Kirbach hinauf bis nach Haslach, das waidwunde Brüllen der Verletzten, das Scheppern von Metall auf Metall.
Hatte er sich getäuscht? Gab es ein neues Opferprofil, dem Lugardis nicht entsprach? Hatte Henning ihn etwa entdeckt und seine Absichten durchschaut?
In dem Moment, als Isenhart sich diesem Zweifel näher zuwenden wollte, löste sich von der Rückseite der Schenke eine Gestalt. Henning in seiner Kukulle, der nun kurz verharrte, dann die Hauptstraße Haslachs querte, den Kopf unter der Kapuze hob, ganz so, als nehme er die Witterung auf, und nach links abbog, zum Pfad.
Isenhart wagte kaum zu atmen und robbte zur Dachkante, schwang die Beine hinüber, packte die Kante mit den Händen und ließ sich kurz baumeln, bevor er losließ. Den Aufprall federte er ab. Die linke Hand versicherte sich des Knaufs seines Dolches, den er im Gürtel des Wamses trug.
Geduckt lief Isenhart in den angrenzenden
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