Isenhart
Schrift, die Wahrheit zu sprechen. Und rufe in Erinnerung, dass ein Meineid unweigerlich mit dem Tod geahndet wird.«
Wilbrands Purpurtuch stank immer noch entsetzlich, wie Isenhart bemerkte, bevor er die Hand auf die Bibel legte: »Ich, Isenhart von Laurin, schwöre, dass ich vor diesem Gericht die Wahrheit sagen werde.«
Von Mulenbrunnen trat vor Konrad, dessen Hand langsam und unsicher durch die Luft fuhr, weshalb Wilbrand ihm einfach den Buchdeckel gegen die Handfläche drückte.
»Ich auch«, flüsterte Konrad mit rauer Stimme.
»Sprecht den ganzen Eid«, ermahnte Wilbrand ihn unnachgiebig.
Nun hob Konrad ein wenig den Kopf, es hatte den Anschein, als sehe er den Abt vor sich an. Seine verunstaltete Mimik verriet Trotz.
»Lasst gut sein, Abt Wilbrand«, hörten sie Konrad III . von Scharfenberg, »das soll dem Hohen Gericht genügen.«
Ein kurzes Zögern, dann wandte Wilbrand sich ab und kehrte zu seinem Platz hinter den Wachmännern zurück.
»Toledo«, sagte Konrad III . von Scharfenberg nachdenklich. Offensichtlich kannte er diesen Ort nicht. »Stimmt es, Konrad von Laurin, dass Ihr dort versucht habt, den Abt von Mulenbrunnen zu ermorden?«
Ein Wispern ging durch die Zuschauer und pflanzte sich immer weiter fort, bis es wie ein Gewebe aus Lauten den Raum beherrschte.
»Ruhe«, verlangte der Bischof, und obwohl er seine Stimme dabei nicht ein Quäntchen erhoben hatte, schwiegen die Leute auf einen Schlag. Das Gesinde, rief Isenhart sich in Erinnerung. Etwas an von Scharfenberg war ungewöhnlich, er spürte es, ohne den Grund dafür benennen zu können.
»Das ist richtig«, gab Konrad zu, »aber es war Bestandteil einer Fehde. Und außerdem wollten wir ihm nur zuvorkommen.«
»Wir?«
»Ich«, korrigierte Konrad von Laurin sich.
»Nein, ich war dabei«, klärte Isenhart. Verwundert nahm er wahr, wie drei Männer im Raum mit Bedauern auf seine Einlassung reagierten: Konrad, der Bischof und Henning.
»Könnt Ihr beweisen, dem Abt von Mulenbrunnen zuvorgekommen zu sein?«, fragte von Scharfenberg, »denn wenn ich Euch richtig verstehe, Konrad von Laurin, wollt Ihr damit zu verstehen geben, dass Ihr Kenntnis von Mordplänen gegen Euch hattet.«
»Wir nahmen es an«, antwortete Konrad mit leisem Trotz, »jedenfalls gab es eine Fehde, die mich ermächtigt hat.«
Von Scharfenberg nickte, als habe er sich das bereits gedacht. »Ihr habt es angenommen. Nun, Annahmen erscheinen in vielerlei Gestalt, aber stets ohne feste Kontur. Sie sind nicht fassbar und deswegen vor Gericht auch ohne Wert. Jeder kann eine haben, und niemand muss sie belegen. Die Fehde war beendet«, belehrte er Konrad, »Ihr habt sie mit Eurer Ohrfeige ausgelöst und Wilbrand von Mulenbrunnen hat Euren Vater, der Euch nicht vor ein Gericht treten lassen wollte, dafür zur Rechenschaft gezogen. Damit war die Fehde beendet. Euer Mordanschlag auf Wilbrand von Mulenbrunnen fußt nicht auf dem Fehderecht.«
»Ist Geistlichen die Fehde nicht verboten?«, fragte Isenhart.
Konrad III . von Scharfenberg merkte interessiert auf und musterte den dünnen Mann, dem er das Schwert abgenommen hatte. Isenhart von Laurin. Wilbrand hatte ihm merkwürdige Geschichten über ihn erzählt. Von seiner Intelligenz berichtet, die bisher nur dazu angetan gewesen war, sich ohne jede Not zum Mittäter zu erklären. Für gemeinhin ein recht verlässliches Indiz für einen Hohlkopf.
Dieser Vorstoß aber, Konrad von Laurin aus dem Fokus der Betrachtung zu entfernen und gleichzeitig den Abt ins Unrecht zu setzen und damit jedermanns Aufmerksamkeit auf den Geistlichen zu lenken, ließ etwas von der Begabung des jungen Mannes erahnen. Möglicherweise war er doch von Nutzen.
Von Scharfenberg blickte zur Seite, dorthin, wo Wilbrand stand. »Was sagt Ihr dazu?«
Wilbrand erwiderte den Blick irritiert. »Ich … Kaiser Barbarossa befand sich auf dem Kreuzzug, sonst hätte er meine Interessen vertreten können.«
»Und mein Vorgänger, Otto II . von Henneberg? Habt Ihr einen Kurier zu ihm geschickt, um ihn in dieser Angelegenheit um seinen Rat zu ersuchen?«
Die Verstörung, die Wilbrand von Mulenbrunnen durch diese Fragen empfand, die sich an ihn statt an die Delinquenten richteten, nahm für jedermann sichtbar zu. »Ja«, sagte er.
»Das ist eine Lüge«, erwiderte Konrad, »kein noch so schnelles Pferd hätte die Strecke von hier nach Spira und zurück in der Spanne eines einzigen Tages bewältigen können.«
Konrad III . von Scharfenberg zog eine
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