Isenhart
von Westheim, war dieser Scherz, der ihm in den Sinn gekommen war, als er sich damals beim Radwechsel versehentlich den Splitter in die Hand trieb, nicht die beste Idee in seinem Leben gewesen.
Vater Hieronymus hatte stets ein Auge auf ihn gehabt, wenn er im Burghof seine Waren an den Mann brachte. Dieses war aus dem Orient, jenes von heidnischen Slawen, anderes sah die Kirche gar nicht gern und so weiter und so fort. Einen guten Schnitt machte von Westheim nur, wenn der Geistliche nicht bei jeder zweiten Ware die Nase rümpfte und dem interessierten Gesinde die Kauflaune verdarb.
Als von Westheim schließlich mithilfe seiner Zähne den Splitter aus der Hand zog, wurden der Ärger über das Missgeschick und der Schmerz dahingefegt von der Heiterkeit, die ihn bei der Vorstellung von Hieronymus’ ergriffener Miene erfüllte, wenn dieser einem profanen Holzspan einen Ehrenplatz in seiner Kapelle einrichten würde.
Von Westheims Genugtuung hatte sich verdoppelt, als er den Splitter zu Boden gelegt und sogleich darauf uriniert hatte.
Und vor ebendiesem Span hob er nun seine Hand.
Hieronymus richtete das Wort an Konrad: »Tretet vor und kniet.«
Isenhart konnte Konrad die Entschlossenheit selbst von hinten ansehen. Sein Gang ließ die Geschmeidigkeit des Vaters vermissen, doch war er fest und gewichtig. Der Stammhalter ließ zwischen Alexander von Westheim und sich etwa zehn Fuß Platz, dann ging er auf die Knie.
Der Händler warf ihm einen devoten Blick zu. »Konrad«, wandte er sich leise an ihn.
»Schweig«, befahl Hieronymus, segnete das Kreuz, vor dem die beiden Männer knieten, und sprach die Hoffnung aus, Gott möge dem Unschuldigen beistehen.
Damit waren alle Vorbereitungen getroffen. Er sah zu Sigimund von Laurin.
»Hebt die Arme und betet«, wies dieser Konrad und den Juden an. Sie hoben die Arme, die Augen auf das Kreuz gerichtet.
»Nun liegt es in Gottes Hand«, fügte Hieronymus hinzu und trat beiseite.
Anna hatte Gottes Beistand nicht erfahren, als sie ihn am meisten brauchte, stellte Isenhart fest. Nun wollte er der Sache auf den Grund gehen. Vor den Blicken der anderen geschützt, kniete er sich auf den Boden und hob ebenfalls die Arme in die Höhe.
Von fern drang ein spitzer Schrei an sein Ohr.
Er stammte von Sophia. Marie und ihre Mutter Mechthild von Laurin waren bei ihr und umsorgten sie, tunkten Leinen in das kalte Flusswasser und umwickelten damit die Waden und die glühende Stirn der Zwölfjährigen.
Sophia hatte neben dem Grab der geliebten Schwester gewacht, mehr noch, sich bäuchlings auf die frisch aufgeworfene Erde gelegt, die Arme ausgebreitet und unablässig gebetet in dem vergeblichen Versuch, Anna zurück ins Diesseits zu erbitten.
Damit zog sie sich nicht nur das schwere Fieber zu, das sie dahinzuraffen drohte, sondern erwarb sich auch Isenharts unverbrüchliche Zuneigung. Mechthild und Sigimund von Laurin ausgenommen, gab es niemanden, den Annas Tod härter getroffen hatte als ihn. Das zumindest war seine Überzeugung, als er mit Konrad und Sigimund nach Mulenbrunnen aufbrach – um eines Besseren belehrt zu werden. Die hilflose Geste Sophias rührte ihn in besonderer Weise, weil er mit ihr nicht gerechnet hatte.
Aus dem kleinen, rothaarigen Trampel war ein rothaariges, in sich gekehrtes Mädchen geworden. Die Haut blasser als gebleichtes Leinen; der grimmige Blick war geblieben. Aus grünen Pupillen musterte sie ihr Gegenüber und verzog keine Miene, nur manchmal spielte ein undurchsichtiges Lächeln um ihren Mund.
Hin und wieder stahl sie sich nachts aus der Burg und ging in den Wald, nur der Herrgott mochte wissen, was sie da trieb.
Isenhart – und nicht nur ihm – erschien sie unzugänglich und entrückt. Sie passte sich nicht ein. Und was hatte es für ein Zeter und Mordio gegeben, als ihr Vater ihr untersagt hatte, Giselbert aufzusuchen. Was sie da überhaupt verloren habe, wolle sie etwa Scharfrichterin werden? Er lachte sie aus.
Sie wolle alles über Carnifexe wissen, erwiderte sie, alles über den Tod und wie es sich anfühlt, wenn man ihn über andere bringt. Dem Vater blieb das Lachen im Halse stecken.
Sophia war den Leuten unheimlich.
Anna erwähnte das einmal, sie hatten sich geliebt, Isenhart lag ausgelaugt neben ihr, sein ganzer Körper befand sich in wohliger Erschlaffung, aber sein Geist war hellwach. Anna sorgte sich um ihre kleine Schwester, um den rothaarigen Wildfang, der so sehr aus der Art schlug.
Isenhart machte sich deswegen in jener
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