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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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wenn Ihr Alexander von Westheims Anschuldigung keinen Glauben schenkt?«
    An der Stelle seines Herrn hätte Isenhart nun eingelenkt. Aber es gab keinen Zweifel, von welchem Elternteil Konrad die Sturheit übernommen hatte.
    »Ich kläre die Umstände, sonst nichts«, gab Sigimund zurück. Sein Blick war klar, die Haltung offen.
    »Umstände, ein schönes Wort habt Ihr gewählt für Euren Verdacht mir gegenüber.« Der Abt trat dicht an Sigimund heran, seine vornehme Höflichkeit hatte sich verflüchtigt. »Ich bin ein Mann Gottes, Ihr steht auf geheiligtem Boden, und mich zu beschuldigen ist gleichsam eine Beleidigung des Herrn!«
    Die Ohrfeige kam so plötzlich, dass Sigimund ihr nicht ausweichen konnte – oder wollte.
    Isenhart zuckte zusammen. Nie zuvor war er Zeuge einer ähnlichen Demütigung Sigimunds gewesen. Und sollte es auch nie wieder sein.
    Sigimund von Laurin umschloss den Knauf seines Schwertes.
    Die Landsknechte legten die freie Hand an die Lanzen. Und Sigimunds Hand, die am Knauf verharrte, die Sehnen gespannt, um das drei Fuß lange Eisen hervorschnellen zu lassen und Wilbrand zu durchbohren, löste sich und pendelte hinab.
    Der Abt war gleichermaßen überrascht und enttäuscht. Ebenso wie Konrad, der einen schnellen Schritt nach vorne vollführte und dessen Ohrfeige Wilbrand von Mulenbrunnen unvorbereitet traf. Konrad war blass vor Wut.
    Die Landsknechte lupften die Lanzen zum Stoß, aber Wilbrand hob leicht die Hand, was genügte, um seine Wachen aufzuhalten. Sigimund packte seinen Sohn an der Schulter und riss ihn so heftig zurück, dass Konrad strauchelte und zu Boden fiel. Isenhart half ihm auf die Beine, in Konrads Gesicht spiegelte sich Verwirrung.
    Ein Lächeln, das mehr war als pure Belustigung, huschte über Wilbrands Mund. Das Gesicht des Abtes strahlte von innen, als habe er soeben ein lang ersehntes Geschenk erhalten. In dem Blick, mit dem er Konrad bedachte, herrschte Dankbarkeit. »Konrad, nichtwahr?«, fragte er.
    Die Nüstern von Walthers Pferd stießen den heißen Atem in die klirrende Winterluft, das Spiel unzähliger Muskeln trieb es und seinen Reiter in vollem Galopp vorwärts. Die Fernstraße nach Spira war oftmals nicht mehr als ein in der Breite ausgedehnter Trampelpfad.
    In Bretten, er hatte ein Drittel des Weges zurückgelegt, tauschte er sein schwitzendes und erschöpftes Pferd gegen eine Stute. Walthers Arme und sein Rücken schmerzten, sein Gesäß war wund, der Hunger bohrte ihm tiefe Löcher in den Magen. Einen Laib Brot verzehrte er im Trab, dann gab er der Stute die Sporen. Eine Räuberbande, die aus dem Wald brach, um ihn vom Pferd zu schlagen und auszurauben, sprang knapp hinter ihm aus dem Unterholz, so schnell trug ihn das Tier.
    Er wollte vor Beginn der Nacht Bruchsal erreichen, zwei Meilen lagen noch vor ihm. Von dort hatte ihn sein Weg mehr als einmal nach Spira geführt, doch nie bei Nacht.
    Bei Einbruch der Dunkelheit beendeten die Bauern ihr Tagewerk und zogen sich in ihre rauchgeschwängerten Stuben zurück, die sie mit ihren Eltern und Kindern und dem Kleinvieh teilten. Die Menschen in den Städten, sofern sie nicht die Nacht durchzechten oder zur Wachmannschaft gehörten, schlossen sich in ihren vier Wänden ein und lagerten allesamt um die Öfen herum, um nicht zu erfrieren.
    Dann herrschte die Nacht, und wie der Tag dem Leben gehörte, gehörte die Nacht den Toten. Und wer mitten in der Nacht einen Blick hinauswarf in die Gasse, in der kein Licht brannte, in der Totenstille herrschte, dem konnte es schon erscheinen, als sei er von Gott verlassen. Die Menschen teilten ihre Lager nicht nur aus fleischlicher Lust oder auf der Suche nach Wärme, sondern auch und vor allem aus Angst.
    Walther hätte bei einbrechender Dunkelheit absteigen und mit einem Windlicht das Pferd hinter sich führen müssen. Was ihn und das Tier den Weg finden lassen würde, war aber gleichzeitig ein ausgezeichnetes Signal für Wegelagerer, ausgehungerte Wölfe oder Bären. Schon bei Tag war die Reise durch den dunklen Wald einriskantes Unterfangen. Wer es bei Nacht versuchte, konnte nicht ernstlich an seinem Leben hängen.
    Andererseits konnte Walther von Ascisberg sich nicht den Luxus erlauben, elf Stunden – von der siebten Stunde am Abend bis zur sechsten am Morgen – untätig vergehen zu lassen.
    Vergeblich hatte er auf den alten Freund eingeredet, ihn umzustimmen versucht, doch Sigimund von Laurin war fest entschlossen, Abt Wilbrand aufzusuchen und ihn zur Rede zu

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