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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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ebenso klugen wie tapferen Beistand würde Henrick seinem Bruder niemals vergessen. Doch heute, wenn Gott sich gegen das Haus Laurin stellte, würde auch Isenhart die Hühner nicht schützen können.
    Mithilfe der Spitzhacke trieb Henrick im Hühnerstall eine Grube in den Grund, etwa vier Fuß tief. Er beschichtete den Boden mit Lumpen und Stroh und ging bei der Vorbereitung des Verstecks für seine Hühner auch sonst mit größter Sorgfalt vor.
    Sein Bruder hatte ihm geraten, das Federvieh mithilfe von hohlen Holzstäben mit Luft zu versorgen. Henrick musste lächeln: Woher nahm Isenhart nur solche Einfälle?
    Sie warteten zusammengekauert auf der Brustwehr. Isenhart hatte zwischen Konrad und Rupert Position bezogen. Sie verfügten über sechs Armbrüste und achtzehn Bogen. Bolzen und Pfeile waren in ausreichender Menge vorhanden.
    Konrad hatte die Armbrust, die sein Vater ihm reichte, an Isenhart weitergegeben, der in seinen Augen der bessere Schütze war.
    Henrick rührte das Öl im Kessel um, der sich oberhalb des Tores befand. Ihm standen vier Bauern zur Seite, die gemeinsam die Kraft aufbrachten, die es benötigte, um den Kesselinhalt über die Brustwehr zu kippen.
    Sigimund von Laurin starrte unentwegt ins Dunkel, hinab zu den Bäumen und Sträuchern, die den Weg zur Burg säumten. Um sich herum hatte er die Bogenschützen geschart, die aus dem Gesinde stammten. Deren Pfeilspitzen waren mit Stoff umwickelt.
    Und dann kamen sie. Für alle unüberhörbar rückte etwas vor, näher an die Burg heran. Mit stoischer Stetigkeit kündeten das Rasseln von Kettenhemden, das Stapfen der Pferde und das Schnarren von Metall auf Metall, das entstand, wenn die Glieder von Plattenpanzern sich beim Gehen aneinanderrieben, von Wilbrands vorrückender Streitmacht.
    Den Feind nicht zu sehen bereitete Isenhart Unbehagen. Und als er zu Konrad blickte, spiegelte sich dieses Gefühl in den Augen seines Freundes.
    »Wie viele sind das?«, flüsterte Isenhart. Konrad konzentrierte sich einen Augenblick, dazu schloss er die Augen und hobden Kopf etwas, sodass sein Ohr über die Kuppe der Brustwehr reichte.
    »Viele«, sagte Konrad.
    Isenhart seufzte. So viel war ihm auch klar. »Mehr als zweihundert?«
    »Bestimmt.«
    »Dreihundert?«
    »Vielleicht, ja«, raunte Konrad.
    Seine Einschätzung sollte sich als recht exakt erweisen, Wilbrand hatte 320 Angreifer um sich geschart.
    »Bolzen spannen, Pfeile anlegen«, befahl Sigimund, denn für den Bruchteil eines Augenblicks drang der Mondschein durch die Wolken und gab dem aufmerksamen Betrachter den Blick auf ein Gemenge aus Metall, Helmen, Piken, Armen und Beinen preis.
    »Brandschützen, Pfeile entzünden.«
    Die Bogenschützen tauchten ihre mit Stoff bespannten Pfeilspitzen erst in den Kessel mit Öl und dann in das kleine Feuer, das darunter loderte. Sofort entflammten die Pfeile. Der Burgherr musste den Männern kein weiteres Kommando erteilen, er hatte sie zuvor instruiert. Sie ließen die Pfeile von den Sehnen schnellen. Wie rasende Lichtkugeln zischten sie hinab in die Dunkelheit und schlugen ein. Im Boden, zwei davon in Baumstämme. Gemeinsam illuminierten sie ihre nähere Umgebung. Ritter und Brabanzonen wurden von den brennenden Pfeilen des Schutzes der Nacht beraubt. Ganz vorne marschierte ein Dutzend, das einen wuchtigen, länglichen Gegenstand trug.
    »Sie haben einen Rammbock«, stellte Rupert fest und sprach damit das aus, was alle sahen. Den Rammbock und diese schwarz-silbrige Masse mit Dutzenden von Köpfen und Piken, gesichtslose Glieder eines Ungeheuers, das sich unaufhaltsam näherte.
    »Konrad, zu den Steinen«, wies sein Vater ihn an, »Brandschützen, eine zweite Linie«, fügte er hinzu, denn die ersten Brabanzonen zertraten die Lichtsignale, die die brennenden Pfeile bildeten.
    »Greift an!«, rief Sigimund von Laurin. Er selbst schoss den ersten Armbrustbolzen hinab in die Menge. Alle anderen folgten. Isenhart und die Bogenschützen visierten die Gegner grob an – an einen gezielten Schuss war bei dieser Distanz und diesen Lichtverhältnissen nicht zu denken – und schickten ihre Geschosse auf die Reise. Die meisten Pfeile zersplitterten beim Aufprall auf die Glieder der Kettenhemden oder dem Metall der Helme, zwei Armbrustbolzen fanden ihr Ziel.
    Wie von Sigimund befohlen, setzten die Brandschützen eine zweite Feuerlinie in das abschüssige Gebiet unter ihnen. Die anderen spannten Bogen oder Armbrust und ließen die Geschosse hinabsausen. Dies war die Gunst

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