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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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einen ordentlichen Schluck aus seinem Krug und beobachtete das Treiben in der Burg.
    Gesichter, in die sich die harte Feldarbeit gegraben hatte und in deren Augen nun die Angst nistete, zogen an ihm vorbei. Männer, Kinder, Alte, sie alle steckten in drei- und vierfach gefaltetem Leinen, um der Kälte zu trotzen. Einige wenige hatten Rinderhäute oder gar Tierfelle über die Schultern geworfen. Aus ihren Poren kroch die Angst und machte die Luft im Hof zum Schneiden dick, ein saurer Geruch breitete sich aus. Selbst die mitgeführten Tiere,Hühner, Schweine, Ziegen, sogar zwei Pferde und einige Rinder, schienen unruhig. Einige Schafe rannten blökend durch die Menge, verfolgt von zwei Bauerntöchtern, die erfolglos versuchten, sie einzufangen, bis ein Hund sie endlich stellte.
    Dreißig Mann unter Waffen, das war es, was Sigimund von Laurin aufzubieten hatte. Kaum einer von ihnen hatte je an einem Kampf teilgenommen. Es waren Seiler, Bogner, Steinmetze, Färber, zwei Schmiede – und ein Hühnerzüchter. Aus der Schar der Flüchtlinge ließen sich vielleicht noch einmal drei Dutzend Mann rekrutieren. Aber die hatten ihre Zwistigkeiten bisher unter der Zuhilfenahme von Keulen oder Forken ausgetragen.
    Was hatten die einem Brabanzonen entgegenzusetzen, das fragte Chlodio sich. Was sollten sie ausrichten gegen die sieben, acht Fuß langen Piken?
    Sosehr das Bier ihm auch wohlige Mattheit verschaffte, wusste Chlodio doch nur zu genau, dass die Burg in dem Augenblick verloren war, in dem es Wilbrands Truppen gelang, die Mauern zu überwinden. Sigimund von Laurin würde alles daransetzen müssen, die Brabanzonen und Wilbrands Gefolgsleute auf Distanz zu bekämpfen.
    So, wie Isenhart sich ins Zeug legte, hegte der offenbar noch die Hoffnung, dass das gelingen könnte. Chlodio hingegen, der den Burgherrn oben an der Brustwehr entdeckte, wo dieser sich einen Überblick über die Lage verschaffte, trat mit Sigimund in ein lautloses Zwiegespräch.
    Von Schmied zu Herr, Sigimund, die Dinge haben einen schlechten Lauf genommen. Mir starben die Frau und das Kind, deiner Tochter hat man das Herz herausgerissen, der Abt belagert deine Burg, und – ohne kleinlich erscheinen zu wollen – auch die Ernte fiel dieses Jahr äußerst knapp aus.
    Und wenn Gott dieses Haus und seine Menschen nicht verlassen hat, muss es dann nicht wenigstens einen Fluch geben, der sich über das Geschlecht der von Laurins gelegt hat? Ist die Häufung all dieser Widrigkeiten denn sonst zu erklären?
    Nein, befand Chlodio. Und wenn man das Unvermeidbare nicht mehr abzuwenden in der Lage war, konnte man sich immerhin noch selbst vom Unvermeidlichen abwenden.
    Den Querbalken hatte er am Tor angebracht, es gab nichts, was er dem Haus Laurin noch schuldete.
    Henrick sah, wie sein Vater sich erhob und damit begann, ein paar Habseligkeiten zusammenzuklauben. Nach dem Tod seiner Mutter Ida gab es nur noch einen Menschen, für den er mehr empfand als für seine Hühner: seinen Bruder.
    Sein Vater hatte sich schon früh von ihm abgewandt, was Henrick zunächst in ein Messen mit Isenhart trieb, bis er erkannte, dass auch dieser ohne die Zuneigung des Vaters aufwuchs. Chlodio hatte nur eine grobe Zärtlichkeit für Ida übrig, immer dann, wenn er sie sich nahm. Ansonsten erhielt niemand seine Zuneigung, weil Chlodio keine verspürte.
    Isenhart kümmerte sich um alle. Sicher, er konnte einem hin und wieder zur Last fallen mit all seinen Fragen und merkwürdigen Gedanken. Doch niemals ließ er es an Fürsorge fehlen.
    Henrick wusste sehr wohl von der Bereitschaft seines Bruders, den Burgherrn bis nach Kleinasien zu begleiten, um Konrad von Laurin zu retten. Er hatte dem Vater einen Großteil der täglichen Verpflichtungen abgenommen, um nach Idas Ableben die Schmiedearbeit ganz alleine zu verrichten. Und wenn Chlodio am späten Nachmittag volltrunken auf dem kalten Boden lag, war es Isenhart, der ihn in die Stube schleppte und aufs Strohlager bettete.
    Ihm, Henrick, war er Freund und Berater zugleich. Isenhart – obwohl ein Jahr jünger als er selbst – hatte ihn nach dem Tod der Mutter getröstet und eines Abends großes Unglück von ihm abgewendet.
    Sigimund von Laurin hatte Maximilian von Grundauf und seinem Sohn Dolph Unterkunft für die Nacht gewährt, es fehlte an Wildbret, also beauftragte er Konrad, unten im Hof vier Hühner von Henrick zu schlachten.
    »Nein«, sagte Isenhart aus der Dunkelheit der angrenzenden Stube heraus und trat hinaus, um Konrad und

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