Isenhart
der Stunde, das musste ihnen niemand erklären. Der schmale Weg, der sich in engen Kurven schlängelnd auf das Burgtor zubewegte, zwang die Angreifer zu einer engen Formation, sie gaben ein vortreffliches Ziel ab, ohne Chance, durch das Bilden einer lockeren Formation die Trefferrate der Schützen auf der Brustwehr zu verringern.
Diese griffen – kaum hatte sich ein Pfeil von ihrer Sehne gelöst – zum nächsten. Schnell lief ihnen der Schweiß über Stirn und Rücken, so emsig jagten sie ihre Projektile in die gegnerische Menge, in der mit einem Mal an die hundert Lichtquellen erstrahlten. Sie erhellten das Gebiet unterhalb der Burg und ermöglichten nun einen Blick auf das Heer, das gegen die Burg zog.
Fast gleichzeitig sausten die Lichter der Gegner empor, das hundertfache Vorschnellen der Bogensehnen war wie ein einziger, großer Flügelschlag eines Vogels, der in der Nacht erhallte. Über hundert Brandpfeile jagten knapp über die Brustwehr und gingen im Hof nieder. Eine Ziege, die getroffen wurde, schrie gellend auf und galoppierte im Burghof umher.
Isenhart blickte sich über die Schulter, er spürte das Erschauern der Männer ringsherum, deren Mut durch die bloße Anzahl der Pfeile gekühlt wurde. Einige Brandpfeile staken in Holzbalken oder Karren, Bauernweiber liefen umher und löschten sie, einige versuchten die Ziege einzufangen.
»Konrad, die Steine!«, brüllte sein Vater.
Konrad von Laurin hievte mithilfe des Steinmetzes und zweier Bauern einen zum groben Quader gehauenen Findling auf die Brustwehr und ließ ihn hinabfallen. Der Quader krachte auf den gefrorenen Boden, das abschüssige Gelände ließ ihn mit zunehmender Geschwindigkeit zu Tal poltern. Mit einer Urgewalt riss er eine Schneise in die Angreifer, tötete vier, fünf von ihnen, ließ Helme,Piken und Kettenhemden zerbersten und in einem wilden Reigen durch die Luft fliegen, bevor der Findling die Teile der Streitkräfte heimsuchte, die sich noch weiter unterhalb befanden.
Und während Konrad mit seinen Helfern den nächsten Quader über die Brustwehr stieß, während die ersten Schreie der Verletzten zu ihnen hinaufdrangen, schossen Isenhart und die anderen ohne Unterlass in die Menge der Angreifer.
Diese suchten nun Schutz hinter den Bäumen und Bodenwellen. Im ersten Moment schien es, als sei ihr Vormarsch ins Stocken geraten, bis zwölf Brabanzonen den Rammbock im Laufschritt die Anhöhe hinauftrugen.
»Armbrüste«, rief Sigimund von Laurin, »die Rammbockträger!«
Isenhart und die anderen Armbrustschützen setzten die Ellbogen auf der Brustwehr auf und visierten das Dutzend Feinde an, das den Rammbock unter ihren Blicken zum Tor befördern wollte. Eine Salve aus Armbrustbolzen ging auf sie nieder, tötete einen von ihnen auf der Stelle und verletzte zwei andere so schwer, dass sie zu Boden gingen, wo sie sich vor Schmerzen krümmten.
Inzwischen raste der vierte Quader zu Tal und traf auf ein Pferd samt Reiter, die er beide mit sich in die Tiefe riss. Aus der Deckung der Bäume liefen drei Brabanzonen zu dem Rammbock und nahmen die Position ihrer verletzten und getöteten Kampfgefährten ein.
Dass das Verharren der restlichen Söldner nicht aus Verunsicherung, sondern aus strategischem Grund erfolgt war, erfuhren sie recht bald, als sie die Rammbockträger erneut unter Beschuss zu nehmen versuchten. Es hagelte Armbrustbolzen.
Zwei davon trafen Rupert am Kopf und spalteten ihm den Schädel, Isenhart selbst trennte ein Bolzen den unteren Teil seines rechten Ohres ab. Wieder rauschten hundert Brandpfeile über sie hinweg und gingen im Hof nieder. Gleichzeitig donnerte der fünfte Quader in die Tiefe, so unberechenbar in seiner Flugbahn, dass er vier Brabanzonen im Vorbeiflug die Köpfe vom Hals riss.
Wann immer sie von der Brustwehr aus die Männer am Rammbock attackierten, wurden sie unter einen so dichten Beschuss genommen, dass sie es aufgeben mussten. Die Brabanter Armbrustschützen gaben ihren Kampfgefährten am Rammbock volleDeckung. Nur deswegen hatten sie sich hinter den Baumstämmen verschanzt.
Isenhart und den anderen blieb lediglich, die Armbrüste über die Burgmauer zu halten und die Bolzen blind von den Sehnen zu schicken.
Die Brabanzonen schmetterten den Rammbock gegen das Tor. Die Vibration nahm von dort ihren Ausgang, durchlief das Mauerwerk und fuhr den Verteidigern auf der Brustwehr in die Fußsohlen.
»Öl!«, brüllte Sigimund und marschierte geduckt – was in seiner Plattenpanzerung höchst
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