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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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weg.«
    »Du tust mir weh.« Mit einem unwilligen Schnalzen machte sie sich los. »Peinigen kostet extra. Und das nicht zu knapp.
    Hat dein Vater dir das immer noch nicht beigebracht?« In aufreizender Pose ließ sie sich auf dem Bett nieder. »Dann wird es aber höchste Zeit bei einem so großen, ungezogenen Jungen! Wo ist das Silber?«
    »Du warst bei ihm!«
    »Du kennst die Regeln.« Gleichgültig hob sie die Brauen.
    »Sie gelten für dich wie für jeden anderen.«
    Mit einem Satz war Khay bei ihr, zwang ihr die Beine auseinander und schob seinen Schurz beiseite.
    »Hat er dich geschlagen?«, sagte er keuchend. »Oder hast du die Peitsche bekommen? Du stinkst wie eine läufige Hündin. Ich hasse es, wenn du noch nach ihm riechst.«
    Die Frau lag reglos unter ihm wie ein Stück Holz, und er konnte fühlen, wie seine Erregung kümmerlich zusammensackte.
    »Wozu der ganze Aufruhr?«, sagte sie ruhig. »Machen wir uns doch nichts vor: Deshalb bist du doch überhaupt hier.«
    Sie schob ihre dünnen Finger durch sein kurz geschnittenes Haar. »Weil du unbedingt haben musst, was zuvor deinem Vater gehört hat.« Ihr Ton wurde sachlich. »Also, wo hast du das Silber versteckt?«
    Er hätte schreien können vor Ekel, sie schlagen oder würgen, aber er rührte sie nicht an. Zu seinem Erschrecken spürte er, dass seine Wange feucht wurde.
    »In meinem Gürtel«, sagte er erstickt. »Bedien dich!«
    Ihre gierigen Finger zögerten keinen Augenblick. Zwischen Stoff und Haut ertasteten sie einen kleinen Lederbeutel. Sie zog ihn heraus und öffnete ihn. Glänzende Silbertropfen fielen auf das nicht ganz saubere Bett. Sie legte fünf beiseite, dann nach kurzem Zögern noch drei weitere.
    »Ich denke, das wird reichen.« Sie presste ihren mageren Leib an Khay. »Du bist in Eile? Macht nichts. Komm her, mein Liebling, ich glaube, wir beide müssen noch einmal ganz von vorne anfangen.«
    Er fühlte sich kaum entspannter, als er nach Einbruch der Dunkelheit die Anlegestelle erreichte. Zu seiner Überraschung war von Nezem nichts zu sehen, obwohl der wortkarge Steinmetz normalerweise überpünktlich war. Ein leichter Nachtwind hatte sich erhoben, der raschelnd durch das Schilf strich.
    Irgendwo schrie heiser eine Eule.
    Der Nachen lag fest vertaut. Khay blieb erst eine Weile unschlüssig stehen, dann näherte er sich langsam. Als er nur noch wenige Schritte entfernt war, schoss plötzlich eine dunkle Gestalt aus dem Boot empor.
    »Nezem?«, rief Khay halblaut. »Wieso hast du dich versteckt?«
    Es kam keine Antwort.
    Er ging noch näher heran, obwohl sein Herz härter zu klopfen begann, bis er schließlich unmittelbar vor dem Papyrusboot stand. Auf der Ruderbank stand ein dünner, hochgeschossener Junge, der etwa Anus Alter haben mochte.
    »Nichts tun!«, sagte er flehentlich und hob seine Hände, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war. »Bin unschuldig.«
    »Was machst du hier mitten in der Nacht? Bist du allein?«
    Der Junge nickte. »Du bist auch allein. Ganz allein.«
    Er war in einen Singsang verfallen und wiegte seinen kümmerlichen Rumpf dabei hin und her. Und plötzlich wusste Khay, wen er vor sich hatte: einen jener Debilen, die vom Betteln leben konnten, wenn sie sich in kleinen Gruppen organisierten.
    »Raus mit dir!«, sagte er forsch. »Du hast in unserem Boot nichts zu suchen. Geh nach Hause!«
    »Kann nicht«, sagte der Junge ängstlich. »Überall Soldaten böse, böse Soldaten.«
    »Soldaten? Hier? Das bildest du dir nur ein. Ich sehe nirgendwo Soldaten!«
    Wie auf ein Stichwort hin flammten im Schilf auf einmal kleine Lichter auf, fünf, sieben, mehr als ein Dutzend, wie Khay blitzschnell feststellte. Er wusste sofort, was geschehen war: Er war in eine Falle der Flusspolizei gelaufen, die die Ufer kontrollierte.
    Vermutlich war der Junge nichts als ein billiger Köder gewesen. Dunkle Silhouetten näherten sich von allen Seiten. Noch ein paar Augenblicke und Khay war verloren.
    »Soldaten!«, schrie der Junge gellend. »Sie kommen und machen uns alle tot.«
    Es gab nur noch einen einzigen Ausweg, auch wenn er nicht ungefährlich war. Ohne zu zögern rannte Khay in das dunkle Wasser und tauchte unter.
    Zunächst war es nur ein Segler, dann waren ein paar weitere gekommen. Inzwischen legten Mond für Mond mehr Boote an der Tempelinsel an. Seit die Kunde sich in Sunu und weit darüber hinaus verbreitet hatte, machten sich zahlreiche Frauen und Männer auf den Weg zu der geheimnisvollen Seherin. Im Einvernehmen mit der

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