Isis
einsam und mittellos. Und deine kleinen Söhne haben mich gedauert - besonders Anu, der kaum ein Wort herausbekommen hat.« Ihr Ton wurde schärfer. »Immerhin konnte ich verhindern, dass du sie zu Krüppeln geschlagen hast. Was du ihren Seelen angetan hast, musst du vor dir selber verantworten.
Kinder werden ohne Sünden geboren und sind daher den Göttern sehr nah. Allerdings nur, solange ihre Eltern sich nicht an ihnen vergreifen, wie du es getan hast.«
Sie schob ihn ungeduldig zur Seite. Basa war so verblüfft, dass er sich nicht dagegen wehrte.
»Sieh deinen Khay und deinen Anu doch nur einmal an! Beide zusammen genommen könnten einen phantastischen Mann ergeben«, fuhr sie fort. »Aber du hast dafür gesorgt, dass dem einen wie dem anderen etwas Entscheidendes fehlt. Eines Tages werden sie dir die Rechnung dafür präsentieren. Und glaube mir, Basa, sie wird erschreckend hoch ausfallen!«
»Du gehst nicht!«, schrie er aufgebracht.
Die Ama ergriff unbeirrt ihr Gepäck. »Mich siehst du nicht mehr wieder. Deine hässlichen Dämonen hier drin« sie tippte an seine Stirn - »wirst du allerdings bis zum letzten Atemzug nicht loswerden.«
oooo
Der Tag von Nesptahs Einführung als Priester war angebrochen. Montemhet hatte ihm beinahe mehr entgegengefiebert als sein jüngerer Sohn, der alle notwendigen Vorbereitungen mit Ruhe über sich ergehen ließ. Es schien ihn nicht zu stören, dass er sich nicht nur den Kopf rasieren lassen musste, sondern dass auch sein restlicher Körper mit heißem Wachs von jeglichem Haarwuchs befreit wurde. Die Leinensandalen zog er ebenso bereitwillig an wie den neuen gefältelten Schurz. Einzig das Keuschheitsgebot schien ihm leises Kopfzerbrechen zu bereiten. , »Ich muss nur an Nefertiti denken, und schon begehre ich sie«, sagte er. »Ihre Stimme, ihr Lachen, ihre Haut - alles erscheint mir gleichermaßen verführerisch.«
Montemhet hatte sich Mühe gegeben, die Bedenken Nesptahs zu zerstreuen. »Es gilt ja nur für die Zeit des Gottesdienstes. Und natürlich schaffst du es! Unser Blut ist stark, ebenso wie das nubische Erbe deiner Mutter. Horachbit und die anderen sollen ruhig sehen, dass wir uns nicht bezwingen lassen«, sagte der Stadtfürst, als sie gemeinsam zum Tempel aufbrachen, auf Nesptahs besonderen Wunsch zu Fuß und nicht in der Sänfte. »Ich mache dich zu meinem Nachfolger. Unser Haus wird weiterleben in dir und den Kindern, die die Götter euch hoffentlich zahlreich schenken werden.«
»Wieso >hoffentlich«, sagte Nesptah trocken. »Hast du schon vergessen, dass dein erstes Enkelkind in wenigen Monden zur Welt kommt?«
»Natürlich nicht. Ich mag deine schöne Nefertiti. Du hättest dir keine prächtigere Frau aussuchen können.«
Erst vor kurzem hatten sie festlich die Hochzeit begangen, wenngleich Udjarenes den neuen Familienzuwachs nicht gerade freundlich aufgenommen hatte. Sie hatte zwar das Gift in ihrem Getränk überlebt, war seitdem jedoch eine kranke, körperlich wie seelisch gebrochene Frau. Arme und Hände konnte sie inzwischen wieder leidlich bewegen, die Beine aber waren steif geblieben und ähnelten dürren Holzstecken. Außerdem war sie stumm geworden, als habe das Gift ihre Zunge für immer verätzt. Nur ihre Augen sandten ununterbrochen zornige Botschaften in die Welt.
»Es empfiehlt sich, beizeiten zu freien«, fuhr Montemhet nachdenklich fort. »Du siehst ja, wohin es führt, wenn man zu lange zögert. Dein Bruder ist noch immer allein. Allmählich beginne ich zu zweifeln, dass Patjenfi jemals eine passende Gefährtin finden wird.«
»Immer noch besser allein als mit einer ungeliebten Gefährtin einsam. Mein Bruder hat schon immer seinen eigenen Kopf gehabt. Ich denke, er weiß genau, was er tut, Vater«, lautete die Antwort.
Sie schwiegen eine Weile, bis sich vor ihnen die hohen Mauern der Tempelstadt erhoben. Als sie von einem Wab-Priester eingelassen wurden, den Gottesdienern der untersten Tempelrangleiter, schritt Nesptah so rasch voran, dass Montemhet sich anstrengen musste, ihm zu folgen.
Im Opfersaal war die Schar der Priester bereits um den Kultschlitten versammelt. Die jungen Adepten, neben Nesptah noch vier weitere, reihten sich ein und halfen, Körbe voller Früchte, Brot und Fleisch zum Dachtempel zu bringen. Vor dem Bildnis des Gottes bekamen sie die Hände gesalbt und wurden damit feierlich als demütige Diener Amuns aufgenommen. Weihrauch vermischte sich mit den schnell aufsteigenden Schwaden des Brandopfers,
Weitere Kostenlose Bücher