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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Sarit hatte offenbar das Bewusstsein verloren, bevor sie sich um die Nachgeburt kümmern konnte. »Uber den Garten — verschwinde!«
    Es gelang ihr gerade noch, ein halbwegs unverfängliches Lächeln aufzusetzen, da stand Basa schon im Zimmer.
    Furchtlos sah sie ihm entgegen und bemühte sich, das Blitzen seiner Augen ebenso zu übersehen wie die steile Zornesfalte auf seiner Stirn.
    »Sieh an, die Fischdämonin! Habe ich dir nicht ausdrücklich verboten, mein Haus noch einmal zu betreten?«
    »Du könntest mir eigentlich dankbar sein«, sagte sie. »Denn ich habe alles versucht, um deine Frau und dein Kind zu retten.«
    »Sie ist tot?« Mit zwei Schritten war er neben dem Bett. Sarit glich zwar einer Leiche, so bleich und reglos, wie sie dalag, aber sie lebte. Ihr Atem ging ganz flach. Basa neigte sich tief über sie, um ganz sicher zu gehen. »Und das Kind? Ist es .«
    Selene ging langsam hinüber zur Wiege. Isis, die mit ihren Fingern spielte, schaute sie neugierig an. Vorsichtig nahm Selena das Neugeborene heraus. Jetzt war jedes Wort entscheidend, wollte sie nicht ihre Tochter und sich in Gefahr bringen.
    »Dein Sohn«, sagte sie und streckte ihm das Kind entgegen wie einen Amulettzauber. Unwillkürlich wich er leicht zurück, was sie insgeheim mit Genugtuung erfüllte.
    »Mögen alle Götter Kemets seinen künftigen Lebensweg beschützen!«
    »Ein ganz normaler Junge?«
    »Überzeug dich selbst!« Wenn alles nach Plan verlaufen war, musste Ruza mit dem Kleinen bereits das Haus verlassen haben. Vielleicht gelang es, Basa noch länger aufzuhalten.
    Jeder Vorsprung konnte nur von Vorteil sein. »Und vergiss nicht, überall gründlich nachzusehen!« Sie verstummte, weil sie hörte, wie spöttisch ihr Ton war.
    Ungeduldig riss er die Windel auf und inspizierte das Neugeborene. Dabei zitterten seine Hände, und für einen Augenblick empfand Selene beinahe so etwas wie Mitgefühl für ihn.
    Bestimmt war seine Angst, das Kind könne dem Kleinen gleichen, kaum geringer als die Sarits. Auch wenn er sich hüten würde, diese Angst ausgerechnet ihr zu zeigen.
    »Du kannst ihn wieder wickeln«, sagte er schließlich barsch.
    »Er scheint mir in Ordnung. Aber wieso ist er so mager und faltig?« Es klang wie eine Anklage.
    Selene tat, was er verlangt hatte. Der kleine Junge begann kläglich zu krähen. Dann trat sie erneut auf Basa zu und legte das kleine Bündel wieder in seine Arme.
    »Er lag verkehrt und wollte zunächst nicht atmen. Dann jedoch hat er sich entschieden zu leben. Ich bin sicher, er wird ein prachtvoller kleiner Bursche werden, wenn er genügend Liebe und Pflege bekommt. Und jetzt muss ich mich um deine Frau kümmern. Sonst verlierst du sie.«
    Sie wandte sich ab, obwohl ihr das schwer fiel, weil sie noch immer unsicher war, was er mit dem Kind anfangen würde, und beugte sich über Sarit.
    Basa blickte eine ganze Weile auf die leichte Last, als könne er sich gar nicht erklären, wie sie dahin gekommen war.
    Wieder ertönte ein leises, fast schmerzliches Quäken. »Wenn du also beschlossen hast, doch zu leben, sollst du Anu heißen«, sagte Basa schließlich mit gerunzelter Stirn.
    »Anu — das ist der Name, den ich für meinen zweiten Sohn bestimmt habe.«



Überall waren sie plötzlich, auf den Straßen, in den Häusern und Höfen, die gepanzerten Soldaten Aschurbanaplis, allen voran die Bogenschützen, gefolgt von Speerträgern und weiteren mit Doppelschwertern und Dolchen bewaffneten Kriegern. Manche schwangen Furcht erregende Eisenkeulen, die keiner in Kernet jemals zuvor gesehen hatte und mit denen sich die Schädel der Flüchtenden wie Eischalen zerschlagen ließen. Und ständig wurden es mehr und mehr, gespeist aus einer unsichtbaren Quelle, die unerschöpflich sein musste.
    »Assur!«, ertönte ihr Kampfgebrüll. »Marduk! Assur!«
    Waset, die »Siegreiche«, war überrascht von diesem Uberfall, der erste ihrer langen, ruhmreichen Geschichte, und ergab sich kampflos. Abgesehen von den Gardisten Montemhets, die allerdings wie vom Erdboden verschluckt schienen, befand sich kein Militär innerhalb der Mauern. So trafen die bärtigen Krieger nur auf eine vor Schreck gelähmte Zivilbevölkerung, die ihren Waffen außer Flucht und Verzweiflung nichts entgegenzusetzen hatte. Die Passivität der Männer, Frauen und Kinder jedoch schien die Fremden keineswegs zu besänftigen, sondern in ihrer Grausamkeit nur noch anzuspornen. Wie eine Feuerwalze fielen sie her über Menschen, Tiere und Häuser,

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