Isis
keiner an!«, sagte er grob. »Nicht einmal ein Assyrer. Verschwinde! Worauf wartest du noch?«
oooo
Als sie ihn endlich zurückbrachten, wirkte er so zerbrechlich, dass Udjarenes erschrak. Ein paar Worte, dann war der kleine, schwer bewaffnete Trupp assyrischer Soldaten, der ihn eskortiert hatte, wie ein Spuk in der Abenddämmerung wieder verschwunden. Vorsichtig, als könne er es noch gar nicht richtig fassen, setzte Montemhet seinen Fuß über die vertraute Schwelle.
Zum erstenmal in all den Jahren sah sie ihn unrasiert, und der grau melierte Bart machte ihn fremd und alt. Und dennoch war er ihr unendlich vertraut, als sei er ein Teil ihres Körpers, so deutlich spürte sie seine Erschöpfung - und seine stumme Enttäuschung.
»Ich bin froh, dich zu sehen«, sagte er leise. »Es gab mehr als einen Augenblick in diesen endlosen Tagen und Nächten, wo ich schon fürchtete .« Er verstummte.
»Was haben sie mit dir gemacht?«, fragte sie.
Eine wegwerfende Handbewegung. Dann ging er langsam ins Haus. Nachdenklich schaute sie ihm hinterher. Er schlurfte wie ein Greis. Und er roch nach Schweiß, ungewaschenen Kleidern und Pferdemist.
Sie wies die Diener an, ein Bad einzulassen und anschließend seine Lieblingsspeisen aufzutragen, deren Zutaten sie in diesen Tagen des Mangels wie durch ein Wunder aufgetrieben hatte. Montemhet jedoch wollte nichts essen, auch nachdem er sich gründlich gereinigt hatte. Schließlich schickte sie alle Bediensteten weg. Sie konnte es ohnehin kaum erwarten, allein mit ihm zu sein.
Er stieg hinauf in seinen Schlafraum. Für gewöhnlich betrat Udjarenes diesen nur, wenn er ausdrücklich danach verlangte, heute jedoch folgte sie ihm unaufgefordert. An seinem verhaltenen Zögern spürte sie sofort, dass sie ungelegen kam.
»Bitte!«, sagte er und ließ sich schwer auf sein Bett fallen.
»Ich muss jetzt unbedingt schlafen. Sie werden mir nicht viel Zeit gönnen, bevor sie mich erneut holen lassen. Und dann beginnt alles vermutlich wieder von vorn.« Sein Lächeln misslang.
»Aber was soll jetzt werden?« Sie setzte sich neben ihn. »Aus Waset? Und aus uns? Dürfen wir bleiben? Oder werden wir alles verlieren? Du weißt ja gar nicht, was in den letzten Tagen hier alles passiert ist!«
»Es wird nicht ganz so schlimm werden, wie es zunächst ausgesehen hat.« Er wählte seine Worte mit Bedacht, weil er wusste, wie rasch sie aufbrausen konnte. »Natürlich behält der Turtan für sich, was er wirklich vorhat, gerade mir gegenüber. Trotzdem denke ich, sie werden unser Land in absehbarer Zeit wieder verlassen.« Jeder Satz schien ihn anzustrengen. »Kernet ist offenbar nicht Assurs einziges außenpolitisches Problem, das habe ich zwischen all den Drohungen und Forderungen herausgehört. Aber was auch geschieht — wir müssen vor allem Vertrauen haben, Udjarenes, sonst sind wir verloren.«
Ein kleines Lächeln, um sie aufzumuntern. Aber das Gesicht seiner Frau blieb verschlossen.
»Immerhin leben wir und sind damit besser dran als andere.«
Leicht abwesend rieb er sich das Kinn, wie immer, wenn ihm ein Thema zusetzte. »Mach dir einstweilen nicht zu viele Sorgen! Allerdings bin ich froh, dass Nesptah und Patjenfi in Sicherheit sind. Unsere Söhne sind zur Zeit überall besser aufgehoben als hier.« Mit einem Seufzer streckte er sich aus und schloss die Augen.
»Hast du jetzt völlig den Verstand verloren?« Sie beugte sich über ihn und rüttelte ihn heftig. »Das Entsetzlichste ist bereits eingetroffen. Sie zwingen Priester, wie Schweine vom Boden zu fressen. Sie holen junge Mädchen, fast noch Kinder, aus den Häusern und vergewaltigen sie. Und dann ist da noch die furchtbare Geschichte von dem Neugeborenen, das sie mitten auf dem Markt aufgespießt haben, weil sein Vater sie angeblich verhöhnt hat .«
»Ich weiß«, unterbrach er sie, weil ihre leidenschaftliche Anklage ihn bis ins Innerste traf, »im Lager war davon die
Rede. Die Menschen in Waset müssen jetzt viele Opfer bringen. Lass uns beten, dass es bald vorbei ist!«
»Gar nichts weißt du!«, rief sie empört. »Oder hast du schon gehört, dass die schlimmsten Gerüchte dir gelten? >Vertrauen< - dass ich nicht lache! Deine ach so geliebte Stadt misstraut dir. Und vermutlich sollte ich das auch tun.«
Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, und die Falten neben dem breiten Nasenrücken kamen ihm tiefer vor als sonst. Das schmale Gesicht sah auf ihn herunter, einsam und verletzt. Ihre Schönheit hatte sich in
Weitere Kostenlose Bücher