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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Bitterkeit verwandelt, und er hatte seinen Teil dazu beigetragen. Als sie noch näher kam, roch er ihren schwachen Sandelholzduft und empfand plötzlich Mitleid. Es gab so viele Geheimnisse in seinem Leben, die sie ausschlossen. Er hatte sie nie geliebt. Sie wussten es beide.
    »Vieles mag dir seltsam erscheinen«, sagte er, halb betäubt vor Müdigkeit, aber trotzdem so freundlich, wie er nur konnte. »Aber wenn ich jetzt nicht schlafe, werde ich wahnsinnig. Ein paar Stunden nur, Udjarenes, bitte!«
    »Man braucht sich nichts darauf einzubilden, seltsam zu sein«, erwiderte sie ungehalten, weil sie spürte, dass er sich ihr entziehen wollte. »Das ist nichts als eine Art Flucht.«
    »Aber ich flüchte ja gar nicht!«, sagte er mit geschlossenen Augen. »Ich bin hier. Bei dir.«
    »Dann sag mir hier und jetzt, ob wahr ist, was in der Stadt gemunkelt wird. Hast du Waset verraten? Hattest du bei dem Eindringen der Assyrer in die Stadt deine Hände mit im Spiel?«
    Langsam setzte er sich auf. »Das glaubst du doch nicht wirklich!«
    »Wo war deine Garde?«
    »Beim Leben unserer Kinder - woher soll ich das wissen?« Er hob die Schultern und bemühte sich, Fassung zu bewahren.
    »Waset liebe ich mehr als mein Leben. Wir kennen uns so lange. Wenn du es nicht einmal weißt, wer dann?«
    »Ich bin nicht mehr die, die du einmal gekannt hast«, sagte sie rasch. »Jenes scheue Mädchen, das nur in seinen Träumen lebte, weil es die Schönheit im richtigen Leben nirgendwo finden konnte. Von jener Frau ist nur der Schatten geblieben.
    Und die Kinder sind zu jungen Männern herangewachsen, die bald schon ihr eigenes Leben führen werden. Außerdem benutzt du sie nur. Nicht anders, wie du auch mich benutzt hast — unseren gemeinsamen Sohn ebenso wie den, den dir die Schwarze geschenkt hat.«
    Sie hatte es ausgesprochen, was sie sonst niemals tat. Daran erkannte er, wie verzweifelt sie sein musste.
    »Dann bei Amun und Isis, bei Sobek, Bes und allem, was mir heilig ist: Komm endlich zu dir, Udjarenes!«, bat er. »Ich bin der, der ich immer war.«
    »Die Wahrheit, Montemhet!«
    Er spürte ein Ziehen, das ihn von den Füßen her durchlief und bis in den Kopf stieg. Schwindel erfasste ihn. Sollte er sie einweihen? Seinen Schmerz mit ihr teilen, seine Angst, seine Enttäuschung, versagt zu haben, obwohl er doch nur das Beste gewollt hatte? Die Versuchung wurde einen Augenblick lang fast übermächtig.
    Dann jedoch verschloss er die Türe seines Herzens.
    Udjarenes würde nicht begreifen können, warum er so gehandelt hatte. Am meisten aber würde sie treffen, dass er es nicht allein getan hatte. Schepenupet und er hatten hoch gespielt und verloren - beinahe alles. Nun galt es zu retten, was noch zu retten war. Waset hatte für ihren Irrtum bezahlen müssen. Er war entschlossen, dafür zu sorgen, dass es nie wieder dazu kommen konnte. Aber wie sollte er das Udjarenes klar machen, für die es nur Schwarz oder Weiß gab, gut oder böse? Sie würde ihn für alle Zeiten verdammen, anstatt seine Motive zu verstehen. Es gab nur eine Frau, die dazu in der Lage war. Und ausgerechnet sie schien ihm an diesem schwülen Abend unerreichbarer als je zuvor.
    »Das ist die Wahrheit«, sagte er und sah Udjarenes furchtlos in die Augen. »Welche andere könnte es geben?«
    Die Kälte gekränkten Schweigens lag im Raum. Udjarenes stand auf und strich ihr Kleid glatt. Schwer kam sie sich vor, fast schon lebendig begraben. Niemals würde sie ihn erreichen, egal, was immer sie auch anstellte. Vielleicht war alles von Anfang an ohnehin nur ein Traum gewesen, und sie hatte ihn niemals besessen - außer in ihren sehnsuchtsvollen Phantasien.
    »Es ist sie, nicht wahr?«, sagte sie, während sie langsam zur Tür ging. »Schepenupet - damals wie heute, und wenn sie zweimal so fett wie ein altes Nilpferd geworden ist, für dich spielt es keine Rolle. Ihr hältst du die Treue. Sie darf in deinem Herzen wohnen. Am liebsten würdest du mit ihr leben, doch das ist euch leider verwehrt. Aber du kannst dich ja mit ihr begraben lassen. Dann seid ihr für die Ewigkeit vereint.
    Ich bin fast sicher, sogar das wirst du mir eines Tages antun.«
    Montemhet fröstelte, als er endlich allein war.
    Zitternd vor Erschöpfung sehnte er den Schlaf herbei. Aber als die ersten Vögel den Morgen begrüßten, lag er noch immer wach.
     
    oooo
     
    »Du gehst nicht!«
    »Und ob ich gehe!«
    »Dann verbiete ich dir ausdrücklich, unser Haus zu verlassen!«, schrie Nezem. »Wenn schon

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