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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Voll innerer Unruhe lief sie hin und her. Es nützte nichts, dass sie zum Weinkrug griff. In ihrer Kehle steckte ein Kloß, der ständig anschwoll. Wie sehr sehnte sie sich nach einem Zustand ohne peinigende
    Gedanken, aber an diesem schrecklichen Tag, der kein Ende finden wollte, war ihr dieses Land verschlossen.
    Da war ein Brennen unter ihrer Haut, das sie kaum ertragen konnte. Auf einmal schien es, als sei ihr Körper nicht mehr in der Lage, die nervöse Energie, die durch ihn floss, in Zaum zu halten. Als sich die Tür einen Spalt öffnete und Amenardis besorgt zu ihr hereinlugte, scheuchte sie das Mädchen mit einer Handbewegung fort.
    Erneut ging sie hinüber zum Fenster.
    Schepenupet konnte sich nicht länger belügen, und sie verabscheute sich plötzlich, weil sie es schon zu lange versucht hatte. Nichts war mehr wie zuvor. Jetzt sah sie auf einmal alles, fast schon ins Absurde vergrößert wie durch ein Brennglas: die ausgebrannten Häuserruinen, die zerstörten Höfe und Gärten. Leichengeruch schien plötzlich wie ein Pesthauch die klare Luft zu vergiften.
    Ihre Eingeweide krampften sich zusammen. Sie schlug die Hände vor das Gesicht. »Was haben wir getan, Montemhet?«, sagte sie leise. »Was haben wir nur getan?«
     
    oooo
     
    Wieder hatte Basa den Fürsten nicht angetroffen. Montemhet befinde sich noch immer im feindlichen Heerlager, lautete die Auskunft seines Leibdieners, als er bei ihm vorsprechen wollte. Keiner wisse, wann er zurückzuerwarten sei. Basa spürte, welch niedergeschlagene Stimmung im ganzen Stadtpalais herrschte. Vermutlich konnte man nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, ob Montemhet das Lager jemals wieder lebendig verlassen würde. Die Herrin Udjarenes schien ähnliche Befürchtungen zu hegen. Es hieß, sie empfange keinerlei Besuch und habe ihre Gemächer seit Tagen nicht mehr verlassen. Basa verabschiedete sich und ließ ausrichten, er werde wieder kommen.
    Tief in Gedanken schritt der Erste Baumeister dahin, vorbei an Häuserruinen und verkohlten Balken, bis er plötzlich auf ein Hindernis stieß. Erst beim Näherkommen erkannte er, warum sich mitten auf der Straße eine Menschentraube gebildet hatte, die wie erstarrt schien in ungläubigem Staunen.
    Im Staub lagen halb verfaulte Fleischbrocken, vor denen ein nackter Mann kniete. Seine Hände waren auf dem Rücken gefesselt, die Fußknöchel hatte man ihm wie einem widerspenstigen Büffel zusammengebunden. Striemen waren auf seinem Rücken, den die knochige Wirbelsäule scharf wie ein Messer durchschnitt. Neben ihm standen zwei assyrische Soldaten, die trotz der Hitze ovale Kappen aufhatten und schwere, knielange Lederwämse trugen. Einer zeigte mit seiner Schwertspitze auf den Knienden, während der andere seine Anweisungen übersetzte, weil er die Sprache Kemets sprach, wenn auch fehlerhaft und in rauem, abschätzigem Ton.
    »Fressen!«, sagte er. »Schnell!«
    Als der Gefesselte gequält aufblickte, sah Basa, dass die Assyrer den Ersten Tempelschreiber Meru in ihre Gewalt gebracht hatten. Meru schien ihn ebenfalls erkannt zu haben, denn er verzog bei seinem Anblick das Gesicht zu einer halb anklagenden, halb hilflosen Grimasse. Sie mussten ihn heftig geschlagen haben, denn seine Lippe war blutverkrustet und die Schneidezähne fehlten.
    »Fressen!« Die Stimme des Soldaten war schärfer geworden.
    Meru rührte sich nicht.
    Der Soldat mit dem gezückten Schwert versetzte ihm einen Tritt. Wie ein nasser Sack fiel der Gefesselte vornüber, mit dem Gesicht in die Brocken. Ein Schwarm Fliegen erhob sich, um sich sogleich wieder auf dem Aas niederzulassen. Der zweite Soldat riss Meru an den Haaren grob hoch. In der Menge schrie jemand erstickt auf.
    »Fressen oder sterben«, sagte er drohend. Der Tempelschreiber starrte ihn an wie eine Erscheinung, und auch Basa, der eigentlich hatte weitergehen wollen, weil sich alles in ihm gegen dieses entwürdigende Schauspiel sträubte, konnte den Blick nicht abwenden. Tief in seinem Inneren klang eine Saite an und ließ eine dunkle, eigentlich längst vergessen geglaubte Melodie ertönen, die er am liebsten sofort wieder zum Schweigen gebracht hätte.
    Blitzschnell hatte der Schwertträger sich umgedreht und scheinbar wahllos eine junge Schwangere aus der Menge gegriffen. Die Frau kreischte erschrocken auf, während er sie fest an sich gedrückt hielt und mit seiner Waffe auf ihren Bauch zielte. Er gab ein paar Knurrlaute von sich, die sein Kamerad mit bösem Lächeln

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