Isis
gibt es nur einen Herrn. Das gilt auch für dich.«
Aus der Nähe waren ihre Augen grün wie funkelnde Smaragde. Unwillkürlich verhärteten sich seine Muskeln. Was würde er nicht alles darum geben, sie auf seine Weise zu unterwerfen! Je mehr sie sich ihm gegenüber herausnahm, desto stärker wuchs sein Begehren. Er hasste sich dafür, dass er sich nicht besser beherrschen konnte. Und er zürnte sich noch mehr, dass ausgerechnet die Situation, die er selbst herbeigeführt hatte, ihn zum Stillhalten zwang.
»Du brauchst Milch für deinen Sohn? Also brauchst du mich. Besser, du gewöhnst dich schnell an diesen Gedanken«, sagte Selene beiläufig, als sie schon an der Tür war.
»Was übrigens nichts Ungewöhnliches ist. Jeder braucht andere Menschen. Selbst du, der große Basa, bildest da keine Ausnahme. Also lass deine dummen Drohungen künftig lieber bleiben!«
Ein wütendes Schnauben war alles, was sie von ihm zu hören bekam. Es gefiel Selene, dass sie das letzte Wort behalten hatte. Noch immer lächelnd ging sie zurück in ihr Zimmer und überzeugte sich, dass Isis schlief, danach sah sie nach Anu.
Sein Mund war leicht geöffnet, und er atmete schnell wie ein Kätzchen.
»Wie sollst du nur überleben, mein Kleiner?« Sie streichelte seinen warmen, runden Kopf. »Ohne die Liebe deiner Mutter, die sich weigert, dich überhaupt zur Kenntnis zu nehmen? Und erst recht mit diesem Vater, der nicht einmal weiß, was das Wort Liebe bedeutet?«
Vorsichtig nahm sie ihn hoch. Sie machte Platz in dem Weidenkorb und schob ihre Tochter behutsam ein Stück zur Seite. Dann bettete sie den Säugling neben Isis.
»Sollst nicht allein bleiben, Anu«, sagte sie. »Ich will versuchen, dir die Mutter zu ersetzen, bis deine eigene wieder gesund ist. Die Kleine neben dir ist übrigens Isis, mein Mondstrahl.«
Der Säugling bewegte sich unruhig. Beim Strampeln stieß sein Bein an das des Mädchens, das sich ebenfalls zu bewegen begann. Es schien, als ob die Kinder sich wohl nebeneinander fühlten.
»Seid ihr beide schon dabei, Bekanntschaft zu schließen?«
Selene lachte leise. »Lasst euch von mir nicht stören! Ich weiß ohnehin, ihr werdet Freunde sein. Die allerbesten Freunde!«
oooo
Der große Fluss fand langsam in sein Bett zurück. Die Nächte waren heiß und klar, durchdrungen von Trägheit und Erwartung.
Wenn Khay aufwachte, stand er leise auf und wanderte durch das stille Haus, bis er vor dem Zimmer angelangt war, das er noch immer nicht betreten sollte. Er wartete, ehe er sich nach oben streckte, um die Tür zu öffnen, und hoffte jedes Mal, es würde wie früher sein.
Aber das Zimmer blieb leer.
Auf dem kahlen Bett zeichnete sich bräunlich der Blutfleck ab, den sie nur nachlässig ausgewaschen hatten. Er war aus dem Schlaf hochgeschreckt, als Ruza plötzlich hereingerannt kam, das Kleine an sich presste und wortlos mit ihm hinaus stürmte. Kurz darauf hatte seine Nase zu bluten begonnen, so stark und lange, dass Neshet die Hände über dem Kopf zusammenschlug, als sie ihn schließlich fand. Mit kalten Umschlägen hatte sie das Blut schließlich gestillt und gehofft, Khay werde sich langsam beruhigen. Sein krampfartiges Weinen jedoch wollte nicht aufhören.
»Das Kleine!«, wimmerte er. »Ibib!«
»Wo ist Ruza?«, wurde er von allen gefragt, aber natürlich wusste er keine Antwort darauf. »Hast du gesehen, wohin sie lief?«
Ohnehin schien keiner mehr Zeit zu haben, sich um ihn zu kümmern. Alles war ganz anders als sonst, und Khay, bislang oft Mittelpunkt der häuslichen Aufmerksamkeit, kam sich plötzlich recht überflüssig vor. Die Dienstboten hetzten herum, angetrieben von den Anordnungen des Vaters, der zorniger schien als je zuvor.
Mama lag blass und stumm in ihrem Bett, neben sich die Wiege, in das sie ein gelbliches verschrumpeltes Ding gesteckt hatten, das sich kaum bewegte. Irgendwann schlief Khay vor Erschöpfung auf dem Boden ein.
»Das ist Anu«, sagte sein Vater am anderen Morgen, nachdem Neshet ihn gebadet und mit Frühstück versorgt hatte, und hob ihn ein Stück in die Höhe, damit er das Ding besser sehen konnte. »Jetzt habe ich zwei Söhne. Und ich erwarte von meinem Erstgeborenen, dass er sich um seinen kleinen Bruder kümmert.«
Khay mochte das hässliche Kind mit dem verknautschten Gesicht nicht, das nicht einmal richtig lächeln konnte. Er war froh, als der Vater ihn wieder losließ. Wo war das Kleine?
Wo hatte Ruza es hingebracht? Und wo steckte sie selbst?
Aber so sehr
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