Isis
Schepenupet kurz. »Sollte ich sie da mitzerren?«
»Und Nitokris?«
»Wenn du es ganz genau wissen willst: Ich mag sie nicht, deine kalte, kleine Sai'tin. Hätte ich gewusst, wen du uns da nach Waset bringst, so hätte ich womöglich nicht an deinem fein gesponnen Netzwerk mitgewirkt. Nicht einmal Amenardis kann sie leiden, und die findet sonst noch an jedem Schurken gute Seiten.«
»Weshalb?«
»Sie ist so starr, so aufgeblasen. Und ständig führt sie ihren mächtigen Papa im Mund. Was hast du Psammetich eigentlich noch alles versprochen, wovon wir nichts wissen? Dass wir sie Tag und Nacht auf Händen tragen? Oder dass wir den Boden küssen, den ihr Fuß berührt hat?«
»Vielleicht hat sie einfach nur Angst vor euch«, sagte Montemhet vorsichtig. »Du bist eine große, starke Frau und Amenardis .«
»Das ist keine Angst, das ist Hochmut«, beharrte Schepenupet und ging ihm so schnell voran, dass er Mühe hatte, Schritt mit ihr zu halten. »Und dabei ist sie noch ein Kind.«
»Ja, das ist sie, vielleicht sogar ein unreifes, verwöhntes Kind. Und weiter? Verurteilst du sie nicht zu voreilig?«
Sie blieb plötzlich stehen und drehte sich zu ihm um.
»Warte!«, sagte er schnell, weil er sah, welcher Sturm im Anzug war. »Lass mich erklären, was ich meine!«
»Ich könnte nicht gespannter sein.«
»Wieso bringst du ihr nicht bei, eine Frau zu werden - eine Frau von deinem Format? Nicht durch Verbote und Anordnungen, die nichts als Widerstand und Trotz hervorrufen, sondern indem du sie einfach zusehen lässt. Sie kann lernen, indem sie dich kopiert. Genauso, wie eine Tochter die Mutter nachahmt. Und eines Tages wird Nitokris erwachsen sein und begreifen, welches Geschenk du ihr auf diese Weise gemacht hast.« Schepenupet wollte widersprechen, aber er ließ sie nicht zu Wort kommen. »Ich habe sie mir genau angesehen. Sie mag hochnäsig sein, aber sie wirkt alles andere als dumm.«
»Ist das nicht nur eine weitere hübsche Einbildung, die perfekt zu deinen übrigen Illusionen passt?« Sie wiegte den Kopf leicht hin und her, was ihm zeigte, wie skeptisch sie noch immer war. »Weil du Angst hast zuzugeben, dass du dich abermals geirrt hast?«
»Versuch es wenigstens! Ich bin sicher, du wirst Erfolg damit haben. Nicht meinetwegen, Schepenupet. Und auch nicht, um Psammetich zufrieden zu stellen. Tu es für Waset, tu es für unser Land! Wir haben so viel gewagt. Soll denn alles vergebens gewesen sein?«
Die »Gottesgemahlin des Amun« schaute zu Boden, um ihre Rührung zu verbergen. »Du bist und bleibst ein unverbesserlicher Idealist, Montemhet«, sagte sie, als sie ihn wieder ansah, und berührte mit einer Hand kurz seine Wange.
»Vielleicht ist das genau der Grund, warum ich dich nicht vergessen kann.«
oooo
Selene klopfte ungeduldig an die Tür des Gartenhäuschens, und zu ihrer Überraschung öffnete ihr Basa. Er war nackt bis auf ein Tuch, das er sich nachlässig um die Lenden geschlungen hatte. Ihr Anblick überraschte ihn. Sie sah es an der Art, wie seine Augen sich weiteten.
»Was willst du?«, sagte er. »Ich habe dich nicht gerufen.«
»Ich muss dich sprechen«, sagte sie.
»Jetzt?« Er blickte kurz über seine Schulter. »Äußerst ungünstig. Ich bin nicht allein.«
»Dann schick sie weg!«, sagte Selene. »Was ich dir zu sagen habe, duldet keinen Aufschub.«
Einen Augenblick fürchtete sie, er würde wütend werden und ihr die Tür vor der Nase zuschlagen. Aber bei einigem Nachdenken schien er sich für ihren Vorschlag zu erwärmen.
»Komm rein!«, sagte er. »Wir sollten vermeiden, dass dich jemand hier draußen sieht.«
Als sei es das Selbstverständlichste von der Welt, ging er
zu dem mageren Mädchen, das gebunden an einem Balken stand, und löste ihre Fesseln.
»Schluss für heute«, sagte er. »Zieh dich an!« Er warf ihr einen kleinen Beutel zu, der auf den Boden fiel, weil die Magere sich die schmerzenden Handgelenke rieb. »Und beeil dich gefälligst! Wenn ich dich wieder brauche, lasse ich es dich wissen.«
Das Mädchen verschwand eilig. Ihr Kleid war so dünn, dass die frischen Striemen auf dem Rücken durchschimmerten.
»Und nun zu dir.« Basa wandte sich Selene zu. »Ich hoffe, du hast gute Gründe, mich zu stören. Oder war es vielleicht Sehnsucht, die dich zu mir getrieben hat?«
Sie zuckte vor seinem Geruch zurück.
»Dein Sohn Khay hat heute meine Tochter belästigt«, sagte sie fest. »Er wollte sie küssen. Ich wünsche, dass du mit ihm redest und ihm
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