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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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stellte?
    Für den Rest der Nacht lag er mit offenen Augen grübelnd da.
     
    oooo
     
    Nach Sonnenuntergang versammelten sich auf Philae alle vor dem Tempel. Sistren erklangen, Trommeln wurden geschlagen. Zwei Priester trugen die Bahre, auf der Osiris in seiner Mumiengestalt lag. Links und rechts davon schritten zwei schöne junge Tänzerinnen, die kupferne Weihrauchgefäße schwenkten.
    »Sie stellen Isis und Nephthys dar«, sagte Sanna halblaut zu Meret. »Wenn wir im Untergeschoss sind, werden sie mit ihren lauten Klageliedern beginnen.«
    »Beides sind seine Schwestern. Aber nur Isis hat ihn über den Tod hinaus geliebt«, sagte Meret, die erleichtert war, in dieser Nacht nicht allein zu sein. »Wohin gehen wir?«
    »In die Kapelle des Osiris. Er hat übrigens Nephthys auch innigst geliebt. Hätte er sonst mit ihr den Gott Anubis gezeugt?«
    Hand in Hand stiegen sie mit den anderen die Stufen hinunter. Fackeln steckten in Wandhalterungen und verbreiteten flackernde Schatten. Es war kühl, roch nach Wasser und modernden Steinen. Vor ihnen war undeutlich ein schmaler dunkler Gang zu sehen. Meret verkrampfte sich unwillkürlich.
    »Was ist?«, flüsterte Sanna. »Was hast du?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Meret. »Ich kenne diesen Ort. Aber ich bin doch noch niemals zuvor hier gewesen! Bitte bleib ganz nah bei mir! Ich fürchte mich sonst.«
    Der Raum, in den sie schließlich gelangten, war niedrig und schmal wie eine Gruft. Die Bahre wurde abgesetzt. Lautes Wehklagen erfüllte die alten Steinmauern. Priester trugen große, mit Nilwasser gefüllte Vasen herein und besprengten die Mumie.
    »Erwache, Osiris!«, riefen sie. »Zeit, von den Toten wieder aufzuerstehen.«
    Meret kam es vor, als würden die Wände immer enger zusammenrücken. Die scharfen Konturen verschwammen mehr und mehr. Weiches, dämmriges Licht herrschte in der die Grabkammer.
    War das nicht Geb, die Erde, der sich als kräftiger Mann zu Füßen des Toten legte? Und hinter ihm der Luftgott Schu, der ihn mit seinen starken Armen emporhob? Meret war überzeugt, ein Stück weiter hinten die spitzen Ohren Anubis’ zu sehen. Und ganz vorne Nephthys, die ihre tränenüberströmte Schwester Isis stützte.
    Irgendwann löste sich die Göttin aus der tröstenden Umarmung und goss abwechselnd Wasser und Öl auf den Leichnam.
    »Erwache! Erwache, Osiris! Ich rufe dich. So lange ich noch selber kann, werde ich zu den Himmelhöhen rufen. Komm zu mir!«
    Hatte sich die Mumie nicht soeben bewegt?
    Ein Windstoß. Meret zuckte zusammen. Alles war auf einmal stockdunkel, als hätte eine unsichtbare Hand die Fackeln ausgelöscht. Unheimliches Heulen erklang, als tue sich die Unterwelt auf, um sie alle zu verschlingen »Sanna?« Plötzlich war Meret wieder hellwach. Und voller Furcht. »Sanna, wo bist du?«
    Sie erhielt keine Antwort. Im Dunkeln versuchte sie sich weiterzutasten. War sie auf einmal ganz allein in dem feuchten Gewölbe? Sie streckte die Hände nach vom, um sich zu orientieren. Da stieß ihr Bein unsanft an etwas Hartes.
    Die Bahre! Sie musste an das Totenlager des Osiris gekommen sein. Vorsichtig, um seine Ruhe nicht zu stören, zog sie sich zurück und tastete sich wie eine Blinde weiter.
    Wieder versperrte nach wenigen Schritten ein Hindernis ihren Weg. Dieses Mal aber war es kein sperriges Holz, sondern etwas Weiches, Großes, das sich organisch anfühlte und trotzdem entsetzlich leblos war.
    Es dauerte, bis Meret begriff, was es war. Dann stieß sie einen gellenden Schrei aus.
    In ihrer Nähe flammte eine Fackel auf. Sannas besorgtes Gesicht wandte sich ihr zu.
    »Was ist passiert? Wieso schreist du?«
    Wortlos deutete Meret auf das, was vor ihnen lag. Im seichten, dunklen Wasser dümpelte die Mumie des Osiris. Der Leichnam lag auf dem Rücken, noch immer fest in Leinenstreifen gewickelt, die Gesichtsbandagen aber mussten sich gelockert haben - genug jedenfalls, um Akaneschs eingefallene Züge freizugeben, die im unwirklichen Licht grünlich schimmerten.
     
    oooo
     
    Das Haus war viel zu still, als Selene vom Markt nach Hause kam. Und trotzdem wusste sie, dass sie nicht alleine war. Sie machte sich nicht erst die Mühe nachzusehen, ob Nezem heimgekehrt war. Wie von selbst trugen sie ihre Beine in die Werkstatt.
    Der ganze Raum war von schwerem Staub erfüllt, als ob sich ein grüngrauer Film über alles gelegt hätte. In der Mitte saß Nezem, den Kopf in die Hände gestützt. Er sah erst auf, als sie ganz nah bei ihm war.
    »Warum, Selene?«,

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