Isländisch Roulette: Thriller (German Edition)
fünfzehn Zentimeter lang ist. Sieh mal! Der Mörder hat Därme und Aorta durchtrennt«, sagt Sveinbjörg zu Friðrik.
»Er ist innerhalb kürzester Zeit verblutet und war sicherlich schon tot, als man ihn in den Heißen Pott geworfen hat.«
Sveinbjörg nimmt die abgetrennten Finger einzeln in die Hand und untersucht die Nägel. Darunter ist nichts als Gras, das der Verstorbene ausgerissen haben muss, als er erstochen wurde. Sie reiht die Finger sorgfältig an den Fingerknochen der Leiche auf, so dass sie passen.
»Die Schnitte sind sauber. Hier war ein Fachmann am Werk. Sieht ganz danach aus, dass er eine Art Schere benutzt hat und keineswegs zimperlich vorgegangen ist.« Sie lässt den Blick über den Fußboden schweifen. »Ist der rechte Daumen hier nicht irgendwo?«
»Nein, wir haben nur neun Finger sichergestellt. Nach dem zehnten wird noch gesucht«, sagt Friðrik.
Sveinbjörg untersucht den Hals der Leiche und bemerkt eine Druckstelle.
»Diese Quetschung hier stammt von einem Würgegriff. Sie ist nicht sehr deutlich, und der Tote hat davon keinen direkten Schaden genommen«, erklärt sie. Dann sieht sie auf und sagt: »Ich bin fertig hier. Den Bericht sende ich euch in einer Stunde ungefähr. Richte das Gunnar aus!«
»Wir haben nichts erwischt, außer ein paar Bilder von Reynirs Mutter, wie sie hinausgeht zum Auto«, berichtet Sveinn Hörður enttäuscht, als er nach dem Tatortbesuch wieder zur Zeitung hochkommt. »Tryggvihat immerhin einen von den Spusitypen im Garten erwischt, aber das ist auch schon alles. Niemand wollte irgendwas sagen.«
»Das reicht für einen Kasten. Trauernde Mutter eines Milliardärs. Das Bild fürs Deckblatt morgen haben wir«, sagt Hörður. »Trotzdem muss noch mehr Fleisch an die Knochen. Siiigggggaaaa!«, kreischt er. »Hast du was erreicht?«
»Es antwortet niemand. Warte! Jetzt klingelt es bei einem«, sagt sie und geht ins Konferenzzimmer.
»Börkur, mein Bester! Hier ist Sigga vom
Dagblaðið
«, sagt sie mit honigsüßer Stimme. »Hast du nicht was für mich?«
»Überhaupt nichts bis jetzt. Ruf mich in zwei Stunden an, und ich werde dir etwas berichten.«
Hörður steht an der Tür des Konferenzzimmers, als sie herauskommt.
»Na, erzähl schon, was sind die großen Neuigkeiten? Wie ist der Typ abgemurkst worden?«
»Du musst dich noch zwei Stunden gedulden. Dann krieg ich die Informationen«, sagt Sigríður.
»Ja, ja! Soll unsereins hier einfach warten zwischen Hoffnung und Verzweiflung? Spielt dein Informant etwa irgendwelche Spielchen mit dir?«, fragt Hörður genervt. Er kann es nicht ausstehen, warten zu müssen.
»Nun hab ein bisschen Geduld. Das wird schon alles«, hält Sigríður dagegen.
»Drífa!«, ruft Hörður ohne zu antworten. »Wie kommst du mit dem Porträt von Reynir voran?«
»Das wird alles, Stück für Stück. Ich habe einige alte Bekannte erreicht und einen Grundschullehrer. Von seinen Verwandten wollte keiner ein Wort sagen. Þórir hat mir auch bei seiner Geschäftshistorie geholfen«, sagt Drífa.
Þórir dreht sich um, um davon zu berichten.
»Ich habe den Redakteur der
Financial Times
und den Geschäftsführer von
Le Monde
erreicht. Diese Kerle berichten nichts Besonderes, aber es ist trotzdem gut, sie zu haben. Die ausländischen Onlinemedien sind heute auch voll mit Meldungen über ihn. Eigentlich hauptsächlich mit Übersetzungen aus den isländischen Medien, aber einige haben auch so eine Art Übersicht über seine Geschäftshistorie zusammengestellt«, sagt Þórir.
»Cool.« Hörður kommt jetzt auf bessere Gedanken.
»Zum Teufel! Ich muss Inga Dóra anrufen«, denkt Gunnar, als er gerade auf sein Team in der Polizeistation an der Hverfisgata blickt.
»Lagebesprechung, in fünf Minuten im Konferenzraum«, sagt er laut und deutlich.
Er tippt die Mobilnummer seiner Frau ein. Sie antwortet im selben Moment.
»Wozu rufst du mich jetzt an – Stunden nachdem ich es gehört habe?«, fragt Inga Dóra sauer.
»Ich … ich war den ganzen Tag bis über beide Ohren mit Arbeit zu. Aber … ich habe viel an dich gedacht«, fügt er stammelnd hinzu.
»Ach, hör doch auf. Übernimm dich bloß nicht«, sagt Inga Dóra.
»Ich versuch’s«, antwortet Gunnar etwas erleichtert und verabschiedet sich.
Er betritt den Konferenzraum und sieht auf die Uhr. Es ist Viertel nach fünf.
»Also, dann lasst uns das zusammentragen, was wir bisher wissen«, sagt er.
Er beginnt, an die Tafel zu schreiben:
Opfer:
Reynir
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