Isländisch Roulette: Thriller (German Edition)
mitgeteilt hat, und die Maßnahmen, die er getroffen hat. Er ruft zwei Mal bei Gunnar an, aber es klingelt jedes Mal erfolglos bei ihm. Der verdammte Vogel antwortet nicht. Jetzt brauchen wir schrecklich schnell Sigríður Finnsdóttir, die wichtigste Polizeijournalistin. Sie muss einberufen werden. Alle Journalisten mit ein bisschen Ambition werden wohl heute arbeiten wollen. Er tippt die Nummer ein und raunzt seinen Namen schroff in den Hörer, als sie antwortet: »Sigga!«
»Ja, hallo Hörður, mein Lieber«, antwortet sie.
»Du musst auf der Stelle kommen. In der Redaktion herrscht Ausnahmezustand.«
»Was ist denn los?«
»Ein Mord! Der reichste Mann Islands ist umgebracht worden – Reynir Sveinn. Ich brauche dich und alle Verbindungen zur Polizei augenblicklich hier in der Redaktion.«
»Ach, Hörður! Ich bin gerade hier im Árbæjar-Schwimmbad angekommen. Was soll ich denn machen?Nonni und den Jungen hier zurücklassen und zum Blatt hochbrausen?«, fragt Sigríður perplex.
»Ja, gute Idee! Sei in einer halben Stunde hier, spätestens«, sagt Hörður und knallt den Hörer auf.
»Ich dachte, du würdest nicht kommen«, feixt Hörður, als Sigríður eine glatte halbe Stunde nach ihrem Telefonat mit fliegenden Fahnen in die Redaktion gestürmt kommt. »Du musst jetzt als Erstes deine Freunde bei der Polizei anrufen und Informationen über die Sache beschaffen. Ich habe Sveinn zum Tatort geschickt, aber es besteht keine Aussicht, dass er irgendwas Gescheites erreicht. Du musst Klarheit darüber bekommen, wo er ermordet wurde, wie und womit und ob jemand unter Verdacht steht.«
Sigríður setzt sich an ihren Schreibtisch und lacht ihr glucksendes Lachen, für das sie in der Redaktion bekannt ist.
»Der Quadratmeter ändert sich wohl nie«, sagt sie zu Þórir, ihrem Zimmerkollegen.
Das Leben auf der Arbeit ist ruhiger und einfacher als zu Hause, wo sie mit ihrem Sohn nicht klarkommt und kaum etwas von seinem brutalen und aufmüpfigen Verhalten begreift. Das hier ist für sie ein Heimspiel, aber zu Hause weiß Nonni, ihr Mann, viel besser, wie man den Jungen zur Raison bringt.
Sie hat kräftiges, blondes, schulterlanges Haar, dasmeistens zu einem Knoten hochgesteckt ist. Ihr Gesicht ist braungebrannt nach einer Woche Sonnenferien auf Teneriffa über Ostern. Die Lachfältchen um die blaugrauen Augen sind auffällig, aber nicht zu stark ausgeprägt, gemessen daran, dass sie achtunddreißig Jahre alt ist. Ihre Lippen sind kräftig und die Zähne weiß und schnurgerade. Ihre Brüste sind üppig, die Hüften mächtig, und es ist ihr nicht gelungen, ihr Bäuchlein wieder wegzubekommen, das aus der Zeit ihrer Schwangerschaft vor sieben Jahren übriggeblieben ist. Sie legt ihren schwarzen Nike-Kapuzen-Pullover über die Stuhllehne und nimmt das Telefon zur Hand.
»Zwei Uhr. Es folgen die Nachrichten«, ist aus dem Radio des Kaufladens Melabúðin an der Ecke zum Hagamelur zu hören. »Die Polizei ermittelt im Todesfall des Milliardärs Reynir Sveinn Reynisson. Das wird auf der Internetseite der Tageszeitung
Morgunblaðið
, mbl.is, gemeldet. Er wurde heute Morgen in seinem Haus tot aufgefunden. Soweit es der Nachrichtenredaktion bekannt ist, wurde Reynir ermordet. Die Polizei verweigert alle weiteren Auskünfte in der Sache«, sagt die Nachrichtensprecherin.
Inga Dóra Ragnarsdóttir, die Ehefrau Gunnar Finnbjörnssons, steht mitten im Laden und lauscht. Sie traut ihren eigenen Ohren nicht. Sie blickt auf ihren halbvollen Wagen mit verschiedenen Leckereien fürdie Reise, die sie vorbereitet haben. Das kann sie nun wohl vergessen. Allein wird sie das wohl nicht alles essen. Sie lässt den Wagen stehen und verlässt das Geschäft mit leeren Händen. Sie ruft ihren Mann an, doch er geht nicht ans Telefon.
»Das war ja zu erwarten. Er hat ein schlechtes Gewissen und traut sich nicht, ranzugehen«, sagt sie zu sich selbst.
Der Leichenwagen rast hinauf zur Leichenhalle im Barónsstígur. Die Bahre wird in den Obduktionssaal gerollt. Die Forensikerin Sveinbjörg Lára beginnt damit, den Leichnam zu untersuchen. Friðrik Egilsson von der Kriminaltechnischen Untersuchung steht daneben und beobachtet das Vorgehen.
»Es ist eindeutig, dass er mit einem scharfen Messer erstochen wurde«, sagt Sveinbjörg und weist auf die Stichwunde im Bauch.
Sie öffnet den Bauchraum. Darin ist halbverdaute Nahrung aus den aufgeschlitzten Därmen zu sehen.
»Ich würde denken, dass die Klinge des Messers zwölf bis
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