Isländisch Roulette: Thriller (German Edition)
Sveinn Reynisson
Todesursache:
Messerstich in den Bauch – verblutet
Zeitraum:
ungefähr Mitternacht
Mordwaffe:
wahrscheinlich Messer mit zwölf bis fünfzehn Zentimeter langer Klinge – nicht aufgefunden
Täter:
unbekannt
Motiv:
unbekannt
Sonstiges:
rechter Daumen fehlt
»Wir wissen, dass er gestern etwa um Mitternacht erstochenwurde und dass ihm alle Finger abgeschnitten wurden. Die Mordwaffe wurde noch nicht sichergestellt. Wahrscheinlich hat der Täter sie mitgenommen. Aus irgendwelchen Gründen ist der rechte Daumen unauffindbar. Hat ihn jemand von euch mit nach Hause genommen, als Souvenir vielleicht? Also, der vorläufige Obduktionsbericht von Sveinbjörg ist jetzt da, doch sie hat nichts ergänzt, was wir nicht schon wussten. Niemand scheint irgendetwas zu wissen. Seine Mutter hat ihn gefunden und steht unter Schock. Die Nachbarn haben weder etwas gesehen noch gehört. Ist etwas über das gestohlene Fahrzeug herausgekommen?«
»Es wurde noch nicht gefunden. Es handelt sich um einen grauen Ford Fiesta. Er wird wohl früher oder später wieder auftauchen«, sagt Einar, ein älterer, kleiner, korpulenter Polizist.
»Was ist mit den Verkehrsüberwachungskameras? Wer nimmt sich die vor?«, fragt Gunnar.
»Ich werde das machen«, sagt Rúnar Páll, einer von Gunnars engsten Mitarbeitern.
»Reynir war gestern Abend auf der Hochzeit seiner Schwester. Die Schwester und die Hochzeitsgäste müssen vernommen werden. Es muss untersucht werden, ob er sich merkwürdig benommen hat«, sagt Gunnar.
»Müssen wir nicht auch mit seinen Geschäftspartnernsprechen? Er hatte eine Investitionsgesellschaft, glaube ich, in Großbritannien«, bemerkt Rúnar Páll.
»Ja, wir sprechen mit denen, die dort beschäftigt sind. Möglicherweise hat er irgendwelche Drohungen erhalten. Und seine Familie muss vernommen werden. Wir warten außerdem darauf, dass die Spurensicherung ihre Arbeit im Haus abschließt. Dann werden wir sehen, ob es ein paar verwertbare Fingerabdrücke gibt.«
Das ganze Team hat nun Aufgaben, und daher bleibt nichts weiter, als die Sitzung zu beendigen.
»Viel Erfolg«, sagt Gunnar zum Abschluss und sieht hinüber zu Rúnar Páll, der sich von seinem Stuhl erhebt. Er hält große Stücke auf diesen dreißigjährigen Single, mit dem er nun seit zwei Jahren zusammenarbeitet. Seinerzeit hat er ihn aus einem Liebeskummer herausgeholt, doch dann schien es, als ob er seine Probleme mit Essen bewältigte. Rúnar Páll ist nicht groß, aber ausgesprochen beleibt. Sein Gesicht ist groß und rund, und das Doppelkinn hat sich im Laufe des letzten Jahres langsam, aber sicher weiter ausgedehnt. Er hat inzwischen eine dicke Wampe, doch seine Beine sind schlank und leichtfüßig. Er ist behände und gut zu Fuß, und Gunnar wundert sich oft darüber, wie diese Storchenbeine den Lasten des massigen Oberkörpers standhalten können. Er hat dutzendfach versucht, Rúnar Páll dazu zu bringen, sich zu bewegen,ist aber stets auf taube Ohren gestoßen. Unregelmäßiges und ungesundes Essen, zusammen mit null Bewegung und einer Vorliebe für M&Ms, Peanuts und Cola sorgen dafür, dass er die Kilos sammelt.
Inga Dóra ist tief in Gedanken, als sie in die Álftamýri einbiegt. Das Reihenhaus des Ehepaares steht ganz am Ende einer Stichstraße in einem alteingesessenen Wohnviertel mit über die Jahre dicht zugewachsenen Gärten. Damals waren sie beide der Ruhe und Friedlichkeit erlegen, die diese Straße ausstrahlte. Für Inga Dóra ist es das Allerschönste, im Garten herumzuwerkeln.
Das Telefonat mit Gunnar war niederschmetternd. Sie hatte sich so darauf gefreut, mit ihm wegzufahren, raus aus der Stadt und mit ihm ein paar ruhige Stunden im Schoße der Natur zu verleben. Also wieder nichts.
Drinnen empfängt die Hündin Mía sie wie immer mit großer Freude.
»Dann sind wir also nur zu zweit«, sagt Inga Dóra zu ihr und krault sie ausgiebig hinter den Ohren.
Die Dinge haben sich ein bisschen geändert, seit Gunnar vor acht Jahren an Krebs erkrankte, doch auf irgendeine unerklärliche Weise geht die Arbeit trotzdem immer vor, kommt an erster Stelle vor allem anderen. Aber es ist ihr ein Trost in all dem Kummer,dass er gut auf sich achtgibt und fleißig joggen geht und mit ihr auf Berge klettert.
Inga Dóra muss an ihre jüngere Tochter denken, die im Souterrain wohnt. Es bereitet ihr Freude, an ihrem Leben teilzuhaben. Ob es um Jungsprobleme oder Klamottenkauf geht, oder ob sich das Haus mit lauter Mädchen füllt,
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