Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter
Hochrutschen der Ärmel. Es dauerte einen Moment, bis ich die Sache in Ordnung gebracht hatte.
»Einreihen, Acari Drew«, schnauzte Masha und unterstrich ihre Worte durch einen Peitschenknall. »Und stillgestanden!«
Ich legte die Hände eng an den Körper. Die übrigen Mädels hatten sich in Zweierreihen aufgestellt, und ich gesellte mich atemlos zu ihnen. Ein noch mit dem Anziehen beschäftigtes Mädchen mit einem herzförmigen Gesicht und ich bildeten das Ende der Kolonne. Wir wagten es nicht, auch nur einen Blick zu wechseln.
»Acari, marsch!«, befahl eine der Aufseherinnen.
Und so bizarr es anmutete – wir marschierten. Ohne vorherigen Drill, ohne Anweisung, gingen wir im Gleichschritt, als sei das Marschieren von Geburt an in unsere Reptiliengehirne einprogrammiert.
»Halt!«, rief die gleiche Aufseherin, als wir das Ende des Flurs erreicht hatten.
Zwei Mädels rumpelten zusammen, und Mashas Lederpeitsche klatschte gegen ihre Hinterteile.
Die Eingeweihten hatten uns vor dem Bad aufgereiht und steckten nun flüsternd die Köpfe zusammen. Ich musterte sie kurz, starrte aber sofort wieder zu Boden. Was ich jetzt am wenigsten gebrauchen konnte, war ein zufälliger Blickkontakt. Die jungen Frauen sahen in ihren engen Overalls wie ein Trupp diabolischer Super-Models aus.
Ich bemühte mich, langsam zu atmen, damit mein Herzklopfen endlich nachließ.
Warum standen wir hier vor dem Bad? Wollten sie uns vor diesem abartigen nächtlichen Aufnahme-Ritual etwa aufs Töpfchen setzen?
Die Gruppe der Aufseherinnen teilte sich auf und umringte uns. »Hinein!«, kommandierte eine Rothaarige von klassischer Schönheit.
Ein Mädchen weiter vorn in der Reihe sah sie entgeistert an, und Masha ließ ihre Peitsche über die weißen Bodenfliesen knallen. »Jawohl, Acari. Dort hinein! Marsch!«
Himmel, sie brachten uns tatsächlich ins Bad! Angst kroch in mir hoch, als ich mir all die Schikanen ausmalte, die in einem Bad passieren konnten. Im Geiste sah ich in Kloschüsseln getunkte Köpfe und allerlei unappetitliche Dinge, die mit Zahnbürsten gesäubert werden mussten.
Aber die Realität übertraf selbst meine wildesten Phantasien.
»Heiße Party, Mädels!« Die Rothaarige scheuchte uns in die Dusche, einen offenen, weiß gekachelten Raum, aus dessen Wänden sechs Sprühköpfe ragten. »Die Erste, die fällt, hat verloren.«
Den Rucksack auf dem Rücken und die Fäuste in die Seiten gestemmt, schlurfte ich hinter den anderen her. Meine Handflächen waren schweißnass. Wie alle anderen hatte ich meine wärmsten Sachen übergestreift, darunter ein Paar gefütterte Skihandschuhe.
Nur nicht ausrutschen! Ich fand einen Platz ganz am Rand, stellte mich breitbeinig hin und stützte mich an den Wandfliesen ab. Das würde wohl reichen, um das Gleichgewicht zu halten.
Falsch gedacht.
Die Eingeweihten drehten die Duschen auf. Volle Pulle und viel zu heiß.
Masha beugte sich vor und raunte mir ins Ohr: »Happy Hot Party, Acari!«
Trotz der Hitze zogen wir alle unsere Kapuzen über die Fleecemützen, um zu verhindern, dass uns die heißen Wasserstrahlen verbrühten. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass mein Hirn kochte.
Einige erwischte es härter als die anderen. Ich selbst konnte von Glück reden, dass ich nicht direkt unter den Sprühdüsen stand. Aber ganz gleich, wo wir uns befanden, wir verlagerten ständig unser Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Niemand sprach. Die Parkas schützten unsere Haut, und unsere Stiefel waren robust, doch der Bereich zwischen Oberschenkel und Knie fühlte sich an wie gegart.
Verschlagene Blicke huschten durch den Raum. Jedes der Mädels schien darauf zu warten, dass eine der Leidensgenossinnen umkippte. Ich bin sicher, dass ich nicht die Einzige war, die ahnte, wie die Strafe aussehen würde.
Ich hatte geglaubt, das brühheiße Wasser sei unser größter Feind, doch das war ein Irrtum, wie ich bald herausfand. Was uns am meisten zusetzte, war der Dampf.
Nach ein, zwei Minuten wurde es im Duschraum ungemütlich, nach fünf Minuten stickig, nach zehn Minuten unerträglich. Ich konnte kaum noch atmen. Überall hing ein weißer Nebel, der sich schwer auf meine Brust legte. Der in meinen Lungen brannte. Der mich benommen machte. Ich sehnte mich nach einem tiefen Zug kalter frischer Luft.
Ein Rascheln und Scharren drang an mein Ohr. Die Mädchen machten eine Gasse für Lilou frei. Sie hatte mich im Visier.
Ich las in ihrem Blick, dass sie sich ein Einzelzimmer verschaffen wollte.
Das
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