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Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter

Titel: Isle of Night Bd. 1 - Die Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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Füße schienen eins mit der Matte. Ich war nur das Schwert in meiner Hand und der Dolch, der auf mich zukam. Ich parierte jede ihrer Attacken.
    Ich umklammerte den Schwertgriff mit der Rechten und die stumpfe obere Hälfte der Klinge mit der Linken, hielt die Waffe diagonal vor meinen Körper und drang langsam auf Claire ein.
    Sie verlagerte ihr Gewicht, packte den Dolch mit beiden Händen wie einen Baseballschläger, schwang ihn mit aller Kraft nach unten gegen mein Schwert. Metall klirrte. Meine stumpfe Übungswaffe hatte keine Chance gegen Edelstahl.
    Ich humpelte zu den Seilen und warf die abgebrochene Spitze aus dem Ring. Dann wirbelte ich zu Claire herum und parierte mit dem Rest meines Schwerts ihre Hiebe. Aber die beschädigte Waffe mit ihren stumpfen Schneiden war ihrem scharf geschliffenen Dolch nicht gewachsen.
    Bei einem ihrer wütenden Vorstöße erwischte sie mich am Unterarm. Ein heißer Schmerz jagte bis in meine Schulter. In einem Reflex öffneten sich die Finger, und der Schwertstumpf entglitt meiner schweißnassen Hand.
    Der Schnitt brannte wie Feuer. Tränen drohten mir die Sicht zu versperren. Ich blinzelte sie weg.
    Blut lief meinen Arm entlang. Ich wischte es vom Handrücken, riss den Dolch aus dem Lederriemen am Unterschenkel und fuhr mit dem Daumen über seine Schneide. Stumpf.
    Wieder ging die Tür auf. Ich musste keinen Blick über die Schulter werfen. Die Stille in der Halle verriet mir, dass immer mehr Vampire kamen. Ich fragte mich, ob auch Ronan unter den Zuschauern war und mein unvorhergesehenes Blutvergießen miterlebte.
    Blitzschnell warf ich den Übungsdolch von einer Faust in die andere und wischte mir die schweißnassen Handflächen an der unverletzten Hüfte ab. Ich war so gut wie erledigt, und in Claires glitzernden Augen las ich, dass sie das Gleiche dachte.
    Ich schloss die Finger um die nutzlose Waffe, als mir die Verzweiflung plötzlich einen neuen Gedanken eingab. Anstatt den Griff zu packen, nahm ich die Klinge zwischen die Finger und balancierte sie aus. Der Stahl war kühl. Ich redete mir ein, dass ich es ebenfalls war. Cool.
    Ich bin Wasser, das fließt.
    Mit einem tiefen Atemzug warf ich den Dolch, stellte mir vor, wie er auf einer Woge der Energie dahinglitt. Er traf Claire dicht über dem Brustbein, rief jedoch keine offene Wunde hervor, weil die Klinge zu stumpf war.
    Immerhin hatte ich ihn mit voller Wucht geschmettert. Claire rieb sich die schmerzende Brust und kickte den Dolch mit dem Fuß aus dem Ring. Dann presste sie ein schrilles Lachen zwischen den gefletschten Zähnen hervor, als sei sie kurz davor, den Verstand zu verlieren. »Das sollst du mir büßen. Alles, was du getan hast, sollst du mir büßen.«
    Ich musste die Ruhe bewahren. Ich hatte keine Waffe. Aber ich hatte meine Hände. Die Uhr zeigte 2:01. Mein Leben stand auf dem Spiel.
    Blut lief mir über das verletzte Bein. Ich hinterließ verwischte rote Fußspuren auf der Matte. Der Schnitt ging tief. Meine Hüfte und mein Oberschenkel brannten wie Feuer.
    In der Halle wimmelte es inzwischen von Vampiren. Sie erinnerten an eine Galerie bleicher Granitstatuen, die ein Bildhauer rund um das Podest mit der Kampfmatte aufgestellt hatte. Ich sah sie vor mir, wie sie meinen Leichnam aussaugten. Die Vorstellung rüttelte mich schlagartig wach.
    Ich stehe fest auf dem Boden. Ich bin Wächterin.
    Ich würde am Leben bleiben. Mehr als das, ich würde siegen.
    Ohne mir noch einmal das Blut von den Händen zu wischen, trat ich vor Claire hin. Ich fühlte mich stark. Ich war stark.
    Ich warf mich auf sie, packte ihren Dolcharm mit beiden Händen. Wir klammerten, fauchten, verteilten Fußtritte und Kniestöße. Claire wand sich unter meinem Griff, versuchte die Dolchspitze gegen mich zu richten.
    Ich drückte ihre Handgelenke nach hinten, schlang meinen Fuß um ihren Knöchel, in der Hoffnung, sie zu Fall zu bringen und ihr im Sturz den Dolch zu entreißen.
    Sie stolperte. Meine Hände waren glitschig von Schweiß und Blut. Sie riss sich mit einem Ruck los. Und stürzte.
    Doch anstatt sich außer Reichweite zu wälzen und wieder hochzuspringen, blieb sie einfach liegen. Ich stieß sie mit der Fußspitze an. Irgendwie rechnete ich mit einem linken Trick. Sie rollte von der Seite auf den Rücken.
    Ich starrte ungläubig den Dolch an, der in Idaho-Claires Kehle steckte.
    Wächterin Priti schlug ihren Gong. »Siegerin ist Acari Drew.«
    Ich hatte zum zweiten Mal getötet.

Einige Tage später spürte mich Ronan in

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