Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)
merkwürdiger Anblick – als ob kaltes Wasser kochte. Die dicken zackigen Eisschollen, die die Insel umgaben, knackten laut, brachen aber nicht. Die Wucht des aufziehenden Unwetters raubte ihr den Atem – bis sie realisierte, dass sie es allein würde überstehen müssen.
Das war der Moment, in dem die Angst sie überwältigte. Ein leiser Laut kam aus ihrer Kehle. Es war kein Schluchzer oder Schrei um Hilfe, sondern ein seltsam erstickter Ausdruck von Furcht. Deborah wusste, sie war nicht tapfer. Sie war nie tapfer gewesen, hatte nie Mut beweisen müssen.
Jetzt jedoch musste sie das. Und sie war so grausam schlecht vorbereitet darauf, auf einmal mutig zu sein, dass sie nicht mehr weitergehen konnte. Sie setzte sich auf den Weg, zog die Knie an und schlang ihre Arme darum, zitterte und biss die Zähne zusammen, damit sie nicht länger klapperten. Sie keuchte vor Entsetzen. Das Zittern erfasste sie in Wellen.
Denk nach, ermahnte sie sich. Dann sprach sie es laut aus: „Denk nach, Deborah. Du bist allein auf dieser Insel und ein gewaltiger Sturm zieht auf. Was musst du tun, um zu überleben?“
Sie hatte keine Ahnung. Aber ihr war klar, dass in der Kälte zu sitzen, auf dem gefrorenen Boden, während der Wind an den Hutbändern zerrte, nicht helfen würde. Sie stand auf und legte den Rest des Weges zur Siedlung zurück. Das verlassene Dorf war nun eine unheimliche, leere Geisterstadt; alle Bewohner waren vor einer namenlosen Bedrohung geflohen.
Deborah kannte diese Bedrohung nun. Sie wagte einen einzigen Blick zum See, hoffte gegen alle Vernunft, dass das Unwetter doch nicht so schlimm sei. Doch es war schlimmer, näher und heftiger, als es noch vor wenigen Augenblicken gewesen war.
Sie zog die Schultern hoch und eilte hastig weiter, um Schutz zu suchen.
„ Parbleu , das war hässlich.“ Am Händlerpier von Fraser vertäute Lightning Jack den Kutter und zählte für die Gebühr Münzen aus einem Beutel ab. „Der Sturm war für meinen Geschmack dann doch zu nah. Wir hätten schon letzte Woche gehen sollen.“
Tom nickte geistesabwesend. Er hatte Respekt vor der Gewalt des Wetters auf dem See, aber aus irgendeinem Grund hatte er nie Angst gehabt, darin unterwegs zu sein. „Hast du eine Ahnung, wo die Koenig angelegt hat?“
Lightning Jack bedachte ihn mit einem wissenden Blick. „Ungeduldig, deinen kleinen Gast wiederzusehen, was?“
„Ich will mich nur davon überzeugen, dass sie nicht in Schwierigkeiten gerät oder eine Dummheit begeht.“
„Ah, aber darin ist sie doch besonders gut.“
„Ich weiß. Daher will ich sie ja auch möglichst rasch finden.“ Mit einem bemitleidenswerten Jaulen sprang Smokey von dem Kutter und heftete sich an Toms Fersen, der sich auf dem Pier in Bewegung setzte.
Lightning Jack befestigte den Münzbeutel wieder an seinem Gürtel. „Ich werde mir jetzt jedenfalls eine Frau suchen und mich hemmungslos besaufen.“
„Das lieben Frauen.“
Sie bezahlten den Hafenmeister, und Tom erkundigte sich nach der Koenig . Es war inzwischen fast dunkel geworden, und der Hund begann wieder mit seinem zermürbenden unablässigen Gebell. Was war mit dem dummen Köter nur los? Seine Stimme war schon ganz heiser, beinahe schwach. Die Sturmböen vom See verschluckten den Lärm jedoch beinahe gänzlich, als sie bei der Koenig ankamen.
Jens Eckel stand auf dem Dock, beugte sich unter den heftigen Windstößen und winkte Tom und Jack mit einer Laterne in der Hand zu. „Wie war die Überfahrt?“ Er betrachtete den Hund mit gerunzelter Stirn. „Kannst du das Vieh nicht zum Schweigen bringen?“
„Nein.“
„Ich schlage vor, wir nehmen den kleinen Kläffer als Köder.“
„Deborah ist die Einzige, auf die er hört.“
Jens reckte den Hals, spähte durch den Flockenwirbel. „Wo ist das Mädchen? Hat sie die Fahrt auf der Suzette gut überstanden?“
Zuerst verspürte Tom nur milde Verwunderung. „Sie ist nicht bei uns. Wir haben gerade erst den Hafen erreicht.“
„Oh.“ Jens sprach laut, um den Sturm zu übertönen. „Dann muss ich sie falsch verstanden haben. Ich dachte, sie wollte mit euch übersetzen.“
„Wir haben ihr gesagt, sie solle an Bord der Koenig gehen“, erklärte Lightning Jack und kratzte sich am Kopf.
„Ja“, erwiderte Jens schmunzelnd. „Echt Pech, das mit dem verschütteten Öl.“ Seine Erheiterung schwand, das Stirnrunzeln kehrte wieder zurück und er blickte zu Tom. „Aber sie sagte, sie wolle mit dir segeln.“
Vielleicht hatte der alte
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