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Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition)

Titel: Isle Royale - Insel des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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hatte Charlie Motts Frau dasselbe Schauspiel beobachtet, diesen schrecklichen weißen Schleier, der eisiges Ersticken verhieß.
    Deborah stieß die Tür hinter sich wieder zu und schleppte das Feuerholz Stück für Stück zum Ofen. Erst heute Morgen – war es wirklich erst heute gewesen? – hatte Tom die letzte Glut auf den Hof gebracht, damit sie dort verlosch. Er hatte die kalte Asche aus dem Ofen gefegt und war auf das Dach gestiegen, um das Rohr mit einer langen Drahtbürste zu reinigen. Er hatte nicht damit gerechnet, den Herd vor dem Frühjahr erneut zu benutzen.
    Deborah rieb ihre Hände kräftig aneinander. Sie öffnete die Ofentür und ließ sich davor auf die Knie nieder. So. Und wie entfachte man ein Feuer? Sie musste es doch Tausende Male gesehen haben. Jetzt wünschte sie sich, sie hätte besser aufgepasst.
    „Nun gut, Miss Deborah, du verwöhntes junges Ding“, sagte sie mit Kathleen O’Learys Akzent, einen typischen Gesichtsausdruck Kathleens nachahmend, „dann wollen wir mal schauen, ob das auch klappt.“
    Deborah öffnete die Schachtel mit den Streichhölzern, worauf die quer durchs Zimmer flogen. Seufzend beugte sie sich vor, um die Zündhölzer aufzulesen und wurde von einer Welle der Sehnsucht nach Kathleen und Lucy, ja sogar nach Phoebe erfasst.
    Das Leben bei Miss Boylan war eine Aneinanderreihung sinnloser Freuden gewesen. Sie und ihre Freundinnen hatten sich bereitwillig an den gesellschaftlichen Veranstaltungen beteiligt und selbst welche ersonnen, selbstherrliche Treffen philanthropischer Gesellschaften, Kleideranproben und Einkaufsausflüge. Müßige wortreiche Unterhaltungen, die ziellos vor sich hin plätscherten. Ausufernde Vorträge und Amüsements. Es ist kein Wunder, überlegte sie, während sie die letzten verstreuten Streichhölzer aufsammelte, dass junge Frauen sich so voller Eifer in die leeren Vergnügungen der Gesellschaft stürzen.
    Die Alternative war nämlich schmerzlich. Das hatte sie nun erfahren. Es war schwierig, das eigene Leben und die eigene Stellung in der Welt kritisch zu beurteilen, schwierig zu begreifen, dass der eigene Wert sich in Dollar und Cent bemessen ließ, und schwierig, seinen eigenen Weg zu gehen. Sie fragte sich, wie lange sie in dem angenehm tauben Zustand falscher Zufriedenheit verharrt wäre, wenn sie sich einfach damit abgefunden hätte, Philip zu heiraten. Wäre ihr jemals der Gedanke gekommen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen?
    Während ihr Atem in kleinen Wölkchen vor ihr in der Luft stand, legte sie die Streichhölzer zur Seite und machte sich daran, ein Feuer zu entzünden. Sie versuchte sich genau daran zu erinnern, wie Tom Silver diese Aufgabe erledigt hatte. Sie hatte eine vage Vorstellung von Zunder und Anzündholz, aber keine Ahnung, was sie damit anfangen sollte.
    Dann beschloss sie, dass Feuer machen nicht schwer sei. Man legte das Holz in den Ofen und zündete es an.
    „Fein“, sagte sie sich und ging in die Hocke. „Das kann ich schaffen.“
    Sie schob ein Holzscheit in den bauchigen Ofen und legte zur Sicherheit noch eines oben auf. Dann zündete sie ein Streichholz an, wobei sie mehrere Anläufe machen musste, bis es Feuer fing. Rasch wandte sie ihr Gesicht ab, als ihr der Schwefelgestank in die Nase stieg, hielt die brennende Flamme an einen Holzscheit. Aber das Streichholz verbrannte einfach nur zu einer verkohlten Locke. Deborah ließ es gerade noch rechtzeitig fallen, bevor das Feuer ihre Finger erreichte. Sie entzündete ein weiteres mit demselben Ergebnis und dann noch eines.
    „Verflixt“, sagte sie und sank wieder auf die Knie. „Was mache ich nur falsch?“
    Beharrlich versuchte sie es weiter, immer ebenso vergeblich, bis nur noch ein paar Schwefelhölzer in der Schachtel waren. Die Hölzchen waren zu klein und dünn und brannten nicht lange genug, um das Holz zu entzünden. Die verbrauchten Stöckchen lagen in einem nutzlosen Haufen im Ofen; draußen pfiff der eisige Wind, rüttelte hartnäckig an den Fenstern.
    Deborah spürte, dass sie beschämend dicht davor stand, in Tränen auszubrechen. Das hier müsste eigentlich ein Kinderspiel sein, aber es sah so aus, als wäre sie noch nicht einmal dazu in der Lage, ein Feuer zu machen.
    Das ist der Beleg für die Absurdität meines Daseins, dachte sie trostlos. Sie konnte komplizierte lateinische Deklinationen aufsagen, Klavier spielen, ein langes Gedicht rezitieren und den britischen Adelskalender auch, aber sie war nicht imstande, ein Feuer zu machen, um

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